Frau Cornelia kocht den Anlegekaffee, dankenswerterweise macht sie das immer. Wir nehmen ihn draußen in der Plicht, es ist gut auszuhalten, der Bug zeigt genau in den Wind. Und hin und wieder bricht die Sonne durch die schnellziehenden Wolken. Zum Kaffee werden kleine Küchlein gereicht.
In Aalborg ist für das leibliche Wohl gesorgt - nur wenige Schritte bis zum StreetFood
Eine ordentliche Weile später komm' ich runter in den Salon. Es surrt – ich hör's sofort. Die Wasserpumpe läuft trocken..
„Spatzerl, du hast den Tank leergesaugt. Nichts gemerkt?“
„Nee, was denn?“
Wir hatten das schon häufiger, sie merkt es einfach nicht. Aber nicht schlimm, die Pumpe kann ruhig trockenlaufen. Mich aber stört das – tierisch sogar. Man hört doch, wenn der Tank leer ist, oder? Und merkt es auch, weil dann einfach kein Wasser mehr kommt.
Aber egal. Ich mach das Ventil des leeren Tanks zu und öffne den zweiten Tank. Jetzt den Wasserhahn auf. Dann zieht sie wieder an, die Pumpe. Normal, nur heute nicht. Es öllert weiter. Okay – dann den Druckschlauch von der Pumpe ab. Schmatzende Geräusche und dann, endlich – kriegt sie wieder Wasser. Es rotzt richtig in die Bilge. Also, Schlauch wieder drauf und alles ist gut.
Nu läuft es auch wieder aus dem Wasserhahn, erst vermischt mit Luft, patsch, patsch macht es. Das ist normal. Hört aber nicht auf. Wasser, patsch, patsch, Luft und wieder Wasser. Und patsch, patsch., Luft. Normal ist das nicht.
Was ist los, hat die Pumpe das lange Trochenlaufen doch nicht vertragen?
„Hasi, wahrscheinlich ist die Pumpe Schrott.“
„Au Mann, hab ich die kaputt gemacht? Das tut mir echt leid. Und nun?“
„Ich schraub' sie raus. Werden sehen.“
Also, raus die Pumpe und aufschlüsseln das Ding. Sieht alles gut aus. Kein Fehler erkennbar. Dichtungen okay, Membranen auch okay. Sogar der Vorfilter ist sauber. Wieder rein die Pumpe.
Die Pumpe scheint in gutem Zustand
Verbesserungen gibt es keine. Nach wie vor kommt Luft mit. Und das nervt! Und spritzt.
Noch einmal die Wasserverteilung kontrollieren. Irgendwo muss er liegen der Fehler. Nix, alles bestens – wie mir scheint. Aber da! Das Ventil des leergefahrenen Tanks ist ja gar nicht komplett geschlossen. Einen Hauch steht es noch offen.
Du Vollpfosten! Nix wird ordentlich erledigt.
Dadurch wird die Pumpe die Luft gezogen haben. Klar, so muss es sein. Also vernünftig zumachen den Hahn.
Und tatsächlich: Es wird besser, nicht gut, aber besser. Die Zeit wird es richten. Wir warten ab bis morgen.
Die morgendliche Dusche bringt noch immer einen Luft/Wassermix, verdammt. Ich fass' es nicht. Dann eben eine neue Pumpe. Irgendwas muss mit ihr sein – ein Haarriss, oder was weiß ich.
Wir marschieren los zum Yachtausrüster. Schließlich sind wir in Aalborg, da gibt’s alles. Und genügend Zeit haben wir auch, wir warten auf Wetter.
Ist gar nicht weit zum Yachtladen, er liegt direkt am Hafen – an dem, in dem ich nicht bleiben wollte. Die freundliche Verkäuferin hat tatsächlich zwei Modelle auf Lager, die eine nicht baugleich, wohl aber mit den gleichen Anschlüssen. Beide nicht überteuert, bei uns in der Heimat müsste man mehr Geld geben dafür. Ich entscheide mich für die preiswertere. Sie hat die passenden Anschlüsse und wäre es auf jeden Fall geworden.
Zurück zum Schiff und einbauen. Super! Das Ding macht richtig Druck, mehr als die alte Pumpe. Nun gut, die hat auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Ein winziges Problem bleibt bestehen: Noch immer kommt Luft. Das kann doch nicht wahr sein!
Ich mache Frau Cornelia zwei Geständnisse, erstens, ich müsse davon ausgehen, dass sie nicht Schuld an dem Fiasko sei und zweitens wäre es wohl anders als ich immer sagten würde: Der weltbeste Ingenieur sei ich wohl doch nicht, zumindest wäre ich in dem Punkt nicht mehr völlig sicher.
Zu Geständnis eins sagt sie, das freue sie, sie habe sich schon große Vorwürfe gemacht und was die Sache mit dem Ingenieur betreffe, zeigte ich doch zumindest immer vollen Einsatz und das allein sei schon mehr als lobenswert. Auch dieses Problem würde ich lösen – früher oder später. Und mit dem bisschen Luft, das sei doch nicht so tragisch, sie könne damit leben.
Ich aber nicht! Auf keinen Fall.
Der Strandhafer zeigt die Windstärke an, trotzdem gibt es Besucher im Bad
Wir machen einen Gang, oder fahren mit den Rädern, ich weiß es nicht mehr. Abends holen wir indonesisches aus dem Street-Food-Laden. Tolles Essen, nur Frau Cornelia wird später übel, einen guten Teil der Nacht verbringt sie auf dem Klo, die Arme. Gut dass wir so einen schicken, frisch renovierten Schmutzwassertank unser eigen nennen. Bei mir ist alles bestens, mich drückt nur mein Wasserproblem.
Hin und wieder springt die Bilgenpumpe kurz an. Ich schiebe das auf den Regen, der wie feiner Staub durch die Luft wirbelt.
Nach dem Frühstück das Bodenbrett über der Wasserverteilung raus und alles noch mal prüfen. Vielleicht hab' ich irgendwas übersehen. Tank 1, alle Schläuche dicht, das Ventil trocken. Bei Tank 2 das gleiche. Dann der Mitteltank. Die Schläuche sehen gut aus. Er hat einen anderen Verschluss, keinen Kugelhahn sondern ein uraltes Absperrventil. Und das ist doch tatsächlich feucht, nicht nur feucht, richtig nass ist es.
Verdammt, alles hatte ich kontrolliert, nur diesen alten Absperrhahn nicht. Daher also die Luft! Wir marschieren wieder zum Yachtausrüster. Er ist wirklich gut sortiert. Nach langem Suchen findet sich in der sympathisch chaotischen Unordnung des bis unter die Decke vollgestopften Geschäfts ein halbzölliger Kugelhahn. Ich leg ihn in die Kroosschublade – heute wird nichts mehr montiert. Heute ist Urlaub. Morgen wollen wir weiter. Es wird ein kurzes windarmes Fenster geben. Wir wollen es nutzen. Montieren kann ich während des nächsten Wetterlochs.
Das dieses Drecksventil seinen Geist in dem Moment aufgab, als Frau Cornelia den Tank leersaugte ist an Gemeinheit kaum zu überbieten.
Einen positiven Aspekt hat das ganze, für mich so blamable Theater, ich hab' jetzt eine Ersatzwasserpumpe. Bin doch so gerne redundant.
16. Juli 2022
Kohinoor macht die 18 Meilen zurück nach Hals zum Eingang des Limfjords. Wir gehen los um 10:30, warten eine kleine halbe Stunde vor Aalborgs Brücken und sind um Punkt 14:00 in Hals. Die Windvorhersage für Mittags lag bei zwei, im wahren Leben waren es sechs Bft. aus West. Entsprechend fix war die kurze Reise.
Brückenpassage
Auf dem Weg nach Hals
Abends studieren wir das Wetter, verschiedenste Quellen werden zu Rate gezogen, neben meinem Windfinder hat Frau Cornelia noch so einiges auf der Pfanne, ich steuere zusätzlich noch den DWD aus meinem Langwellenempfänger bei. Die Vorhersagen variieren zwischen vier und deutlich sechs. Wirklich einig ist man sich nur bei der Windrichtung, sie wird mit westlich angegeben. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für unser Ziel Grenaa.
17. Juli 2022
Unterwegs nach Grenaa
Ein Mitläufer kurz vor dem Ziel. Der Wind hat nachgelassen
Für uns wenig typisch verlassen wir den Hafen um 09:00 und haben beinahe während der gesamten 43 Meilen stramme 6 Windstärken, zum Glück ist es wie versprochen ein schicker Backstagwind. Der macht die Tour durchaus passabel. Kurz nach vier erreichen wir den bis an den Kragen gefüllten Hafen von Grenaa. Eine freie Box finden wir trotzdem schon nach kurzer Suche. Andere, die später kommen, haben da weniger Glück.
Mühsames Einparken bei viel Wind und wenig Platz
Der nächste Tag ist Hafentag, die Windvorhersage ist Hemisphären entfernt von unseren Vorstellungen. Ich kann nach ausgiebigem Frühstück mein Wassertankventil montieren. Die Aktion wird ein voller Erfolg, das Wasser rauscht wieder luftbefreit aus unseren Hähnen.
Tja, ich kann schon was und wenn es auch im dritten Anlauf ist. Also bin ich berechtigt hocherfreut, Frau Cornelia sieht keinen gravierenden Unterschied. Manchmal eben fehlt ihr das Sensible.
19. Juli 2022
Kein Wind! Das, was messbar ist, haucht aus Südwest. Wir gehen rüber nach Seeland, kommen Hiddensee wieder ein gutes Stück näher. Am äußersten nordwestlichen Zipfel der Insel, die auch Kopenhagen beherbergt, haben wir uns Odden ausgesucht. Ein netter kleiner Hafen mit nur wenig Ort drum herum.
eine gemütliche Tour mit wenig Wind nach Odden
An der Mole finden wir einen Platz in der Durchfahrt vom ersten in das zweite Hafenbecken. Die Durchfahrt ist jetzt eng, aber nicht unpassierbar. Sicher ist, dass wir hier niemanden auf die Backe bekommen werden. Wobei ich kein Problem damit hätte, nur hier geht es einfach nicht. Später schiebt sich noch ein Däne mit großem Geschick hinter uns. Er parkt unter dem Festmacher des vor ihm liegenden Kutters und in Zentimeterabstand zu unserem Fahnenstock. Eine Meisterleistung, das Manöver.
Unser Liegeplatz in Odden
Frau Cornelia ist virtuos im Umgang mit den elektrischen Hafenmeistern
Es wird aber auch immer voller in diesem Dänemark. Am späteren Nachmittag geht nichts mehr, die Boote liegen kreuz und quer in allen Ecken. Was für ein Glück, dass wir entgegen unserer Biokurve so früh los sind heute morgen. Das kann ja heiter werden in den nächsten Tagen. Wir werden zu frühen Vögeln mutieren müssen.
Der Hafen von Odden am Vormittag
Der Wind hat heute nur kurz Atem geholt, für morgen sieht es wieder aus, wie so häufig in den vergangenen Wochen. Wir werden liegenbleiben und Zwangsurlaub machen. Zu reparieren ist nichts.
Die Windvorhersage für den 20.07.2022
Ein recht ordentliches Abendessen gibt es im Café Noova direkt neben der ortsansässigen Werft. Der Folgetag beschert uns eine ermüdende Erkundungsfahrt der schmalen Landzunge mit den Bordrädern. Am frühen Abend speisen wir im Goldenen Hahn, hier in Odden nennt man ihn „Den Gyldne Hane“.
Einkauf im Hofladen
Landausflug, die Erste
Landausflug, die Zweite
Ölig glattes Wasser am nächsten Morgen. Die Sicht ist dürftig, der Wind hat sich gestern völlig verausgabt. Es ist wie verhext, heute nix Wind, gestern dicke sechs und mehr. Erst gegen Abend wurde es ruhiger. Wir sind wieder früh, um halb neun verlassen wir Odden, Wasser und Himmel verschwimmen ineinander. Erst nach guten 15 Meilen wird die Sicht deutlich besser.
unten Wasser, oben feuchte Luft
Glattwasser
Gilleleje ist am frühen Nachmittag schon voll
Recht früh, nämlich gegen 14:00 Uhr laufen wir in Gilleleje an der nordöstlichen Spitze Seelands ein. Der Hafen ist rappelvoll – schon jetzt. Die Leute liegen in Zweier- und auch Dreierpäckchen. Die Boxen – alle belegt. Wir kreischen vor Glück, finden ein Motorboot, an das sich niemand hat legen wollen. Aus Gründen, die man unbedingt verstehen muss. Ein verlassenes Wrack, nichts anderes. Das es schwimmt verwundert.
Motorboot in zweifelhaftem Zustand
Ich weiß um meine Masse und steige deshalb höchst vorsichtig auf das Deck des Nachbarn. Mit zwei eigenen Leinen vertäue ich das ehemals sicher stolze Boot zusätzlich. Die Menschen, die das Schiff vor ewigen Zeiten verließen, haben auf Springs verzichtet, mit uns auf der Seite schwingt der Kahn unkontrolliert hin und her und wir drohen in den vor uns liegenden Kutter zu krachen. So gesichert haben wir einen recht ordentlichen Platz erwischt, später legt sich noch ein Däne an unsere Seite. Zum Landgang verlassen will er sein Boot erst, nachdem ich ihm glaubhaft und mit ehrlichem Augenaufschlag versichert habe, dass das Deck unseres Nachbarn mich, wenn auch unter Ächzen, trug.
Für den spartanischen Liegeplatz ohne jede Versorgung zahlen wir beim elektrischen Hafenmeister 200 Kreuzer. Ihn interessieren die näheren Umstände unseres Liegeplatzes nicht die Bohne.
Alle Plätze mehrfach belegt
Wieder früh raus, langsam gewöhnen wir uns. Exakt zeitgleich mit einsetzendem heftigen Regen legen wir um 08:50 Uhr ab. Meine Leinen habe ich wieder zurück an Bord geholt, ihr Wert hätte den des damit gesicherten Bootes deutlich überstiegen, insofern denke ich, dass das okay geht.
Helsingör querab auf dem Weg nach Ven
Der Regen lässt nach einer Stunde nach, es ist jetzt rattenkalt. Wir verlassen Dänemark, gehen für eine Nacht nach Schweden, auf die kleine Insel Ven oberhalb von Kopenhagen und dort in den winzig kleinen Fährhafen von Bäckviken. Vor einigen Jahren haben wir dort schon einmal gelegen. Außer uns gab es damals einen weiteren Gast und ein paar wenige meist offene Fischerboote.
Heute ist es anders, um zehn nach eins gibt es noch genau einen Boxenplatz in Bäckviken. Ich lege ein dramatisch schlechtes Anlegemanöver hin, ziemlich genau so, als sei das mein erster Tag auf einem Boot. Es geht alles schief, den Pfahl erwische ich mit der Achterleine erst beim zweiten Versuch, der Fender, den ich elegant mit dem Fuß von Bord kicke, landet nicht da, wo er soll. Die Fernbedienung des Bugstrahlruders hat sich abgestellt, sie tut das immer, wenn sie nicht spätestens drei Minuten nach dem Einschalten einen Befehl bekommt. Und zu allem Überfluss schalte ich die Maschine nicht auf neutral, sondern lasse sie langsam rückwärts drehen, was dazu führt, dass die freundliche Helferin, die unsere Vorleine angenommen hat, dicke Backen bekommt.
Sehr peinlich all das! Wir machen einen längeren Spaziergang am steilen Ufer der Insel entlang. Abendessen gibt es an Bord, Lasagne aus dem Fertiggerichteregal wird gereicht. Geschmacklich geht es so.
Spaziergang auf Ven
Uferkunst
Hier im Hafen gibt es nicht mal einen elektrischen Hafenmeister, vor fünf Jahren kam abends noch ein echter vorbei, kassierte und verlor ein paar nette Worte. Heute zahlt man per App über das Handy – wie Frau Cornelia diese Klippe erklommen hat, ist mir verborgen geblieben. Übrigens, der Hafenmeister kommt trotzdem längs und kontrolliert. Er möchte wissen, ob alle ihre Zahlungen ordnungsgemäß geleistet haben und prüft dieserhalb die Handytelefone der Hafengäste. Nun kann man streiten, spart das Verfahren an Verwaltung und Zeitaufwand oder ist es einfach nur zeitgemäß modern?
23. Juli 2022
Der Tag beginnt miserabelst, Abfahrt ist um Acht, das Wetter ist mistig, es nieselt gemein. Segeln könnte man, Lust dazu hab' ich keine, lieber verkrieche ich mich unter Kohinoors Sprayhood. Da kann ich mir das Ölzeug sparen. So schnell möglich soll es nach Dragör gehen, es sind nur 19 Meilen, um zehn nach zwölf laufen wir in den alten Dragörhafen ein.
Begegnung kurz vor Dragör
Hoffnung auf einen Platz haben wir nicht, Murphy aber ist gnädig heute, ein Holländer winkt uns zu, neben ihm sei ein Platz frei. Glück gehabt. So müssen wir wir nicht in den neueren Yachthafen. Von dort ist es weit zur Stadt und die ist gemütlich schön.
Auslaufen aus Dragör
Die Liegeplatzjagd beginnt früh, um 07:50, unser Ziel ist Rødvig, die Sonne scheint, der Wind ist mild südlich. Ab elf zieht es sich etwas zu. Insgesamt ist es gut erträglich.
Wir genießen die Vorbeifahrt an den kleinen Brüdern der Kreidefelsen von Møn, die hier gefallen mir besser, sie sind beileibe nicht so hoch wie die von Møn, aber imposanter strukturiert – wilder, härter, zerklüfteter.
Die kleinen Kreidefelsen...
...wuchtig sehen sie aus
Zu lange aber wollen wir uns den Blick auf die Felsen nicht gönnen, wir hoffen auf einen anständigen Liegeplatz in Rødvig. Und den wird es wohl nur geben wenn wir mehr als zeitig ankommen. Punkt Mittag laufen wir ein, Frau Cornelia zeigt auf eine Lücke an der südlichen Hafenmole, ich bin skeptisch, mehr als eben zwölf Meter werden es nicht sein. An der Kade steht ein Helfer, winkt. Ein zweiter tritt hinzu. Ich zucke die Schultern, hebe den Arm, drehe zweifelnd die Hand.
Aber wenn schon willige Helfer da sind soll es ja wohl klappen. Zehn Minuten später liegen wir fest, 20 Zentimeter Platz zum Vordermann und wohl eben vierzig zu dem dicken Motorboot hinter uns. Der Schwede vor uns verholt später sein Boot ein Stück nach vorn, wir können ein wenig aufrücken, nun liegen wir wirklich ordentlich.
Auch Rödvig ist voll
Vier Tage Zwangsaufenthalt warten auf uns, das nächste Ziel soll Klintholm sein und dann kommt der kleine Sprung nach Vitte auf Hiddensee. Und damit wären wir am Sehnsuchtsziel von Frau Cornelia. Morgen könnten wir noch weiter nach Klintholm, die folgenden Tage allerdings sollen wieder gruselig werden und in Klintholm abwettern, das wollen wir nicht. Das Nest ist einfach zu klein, ohne jede Abwechslung.
Wir machen das Beste aus den Tagen, besuchen auch die Klippen von der Landseite aus und besichtigen dort die in 30 Metern Höhe am Klippenrand stehende Höjerup-Kirche. 1357 wurde sie eingeweiht und hielt damals noch einen ordentlichen Abstand zum Steilufer. Das Meer nagte in den folgenden Jahrhunderten unaufhörlich und teils energisch an der Küste, 1928 dann stürzte der Chor der Kirche gemeinsam mit dem kreidigen Untergrund krachend in die Fluten. Die Reste des Gotteshauses wurden gesichert, sie dienen heute als beliebtes Ausflugsziel und bieten unmittelbar am Klippenrand einen tollen Blick auf die See.
Aussicht
Wenige Meter entfernt existiert ein offensichtlich rentabler Gastronomiebetrieb mit rekordverdächtig kleinen Kuchenportionen, die sich zusätzlich dadurch auszeichnen, dass sie durch eine wahrscheinlich geheime Rezeptur völlig geschmacksneutral zubereitet werden. Das Personal ist ausgesprochen freundlich und entschädigt für das dürftige Kuchenerlebnis. Der gelieferte Kaffee ist reichlich bemessen, auch das sei erwähnt.
Küchlein klein
Kulinarisch sind die Tage in Rødvig ansonsten ein Highlight, Frau Cornelia bereitet ihren unvergleichlichen Ruccolasalat mit gebratener Hähnchenbrust und Chili con carne von vorzüglicher Qualität. Beides echte Leibgerichte von mir. Ich revanchiere mich und reiche Spaghetti mit Gorgonzolasauce an geröstetem Schinken. Alle Zutaten erstehen wir im örtlichen Lebensmittelfachhandel.
28. Juli 2022
Weiter geht’s, um 08:00 Uhr lösen wir bei kühlen 16 Grad die Leinen. Unsere Päckchenlieger waren pünktlich, sie haben uns um kurz vor Acht verlassen und wollen sich gleich auf unseren Platz legen. Im Hafen herrscht Aufbruchstimmung, ein wildes Gewusel, die meisten wollen weg, die einen nach Süden, die anderen nach Norden.
Nahezu ohne Wind gehen wir Richtung Klintholm, die Segel hole ich bald wieder ein. Die in der Literatur so vielfach beschriebenen Kreidefelsen von Møn passieren wir mit geringen Abstand – und noch einmal: ich blicke lieber auf die Felsen nordöstlich von Rødvig.
Die Kreidefelsen von Mön
Knappe vier Stunden nach unserem Start stehen wir kurz vor Klintholms Hafeneinfahrt. Eine ganze Weile schon läuft kurz vor uns ein Seglerkollege auf gleichem Kurs. Auch er will in den Hafen – unzweifelhaft. Dazu holt er sehr weit aus. Kann man machen, muss man aber nicht. Die Wassertiefen sind hier überall ausreichend. Ich folge nicht seinem Kurs, ich laufe im rechten Winkel auf die Hafeneinfahrt zu und denke so bei mir selbst:
Da krieg ich dich noch so kurz vor der Mole, ätsch. Und einen Wettbewerber um vermutlich knappe Liegeplätze werd' ich so auch noch ausschalten; selbst schuld. Warum fährst du einen so großen Bogen.
Am Tempo ändere ich nichts und bin trotzdem deutlich im Vorteil, die Mole werd' ich kurz vor dem Kollegen erreichen. Nicht nett von mir ist das Manöver, ich weiß das. Aber es juckt so, es passiert quasi automatisch.
Der Steuermann des anderen Bootes registriert natürlich was passiert – und es gefällt ihm nicht. Man muss das verstehen, denn eigentlich hat er die älteren Rechte auf einen anständigen Liegeplatz. Und die werden ihm gerade auf wenig seriöse Weise von mir streitig gemacht. Er gibt Gas, hat noch Reserven in seiner Maschine und erreicht mich genau in der Hafeneinfahrt, überholt und knickt nach der Mole direkt nach Steuerbord weg, läuft mir bei Licht betrachtet vor den Bug.
Klintholm Hafen, auf der roten Linie lief die Kohinoor, auf der blauen das andere Schiff
Das wiederum ist von ihm nicht nett, aus seiner Sicht aber wohl angemessen. Zum Glück habe ich schon kurz vorher die Drehzahl deutlich reduziert und es bleiben ein paar Meter Wasser zwischen unseren Booten. Ich hatte die Molenköpfe ohnehin schon deutlich an der grünen Seite passiert.
Die vermutlich wenig freundlichen Worte, die zu mir rübergebrüllt werden kann ich nicht verstehen. Für meine zarte Seele ist das bestimmt von Vorteil.
Die Reaktion von Frau Cornelia zu den Geschehnissen ist kurz, sie besteht aus einem Satz, der nicht gänzlich frei von Vorwurf ist:
„Was war das denn eben für ein Männerding?“
Und sie hat mehr als recht, ich hätte das nicht machen dürfen, ich habe provoziert, nett war das von mir in keinem Fall, auch wenn ich mich durch mein Manöver in die Position dessen katapultiert habe, der Vorfahrt hatte und den man nicht hätte schneiden dürfen. Geschenkt.
Obwohl wir nun als zweite einlaufen, erwischen wir einen wunderschönen Platz vor einer Ferienhausreihe, Klintholm nämlich ist trotz seiner relativen Größe ein recht schön angelegter Hafen und bietet heute um 12:00 Uhr noch einige freie Plätze.
Der Anlegekaffee ist eben serviert, da kommt Besuch auf uns zu. Deutlich fühlbar will ein Pärchen zu uns, stellt sich streng in Höhe der Plicht auf und der männliche Part beginnt unvermittelt:
„Nun erklären Sie mal was das eben war, wieso Sie mich so behindert haben, wieso Sie die vorgeschriebene Route zum Hafen nicht eingehalten haben? Sie wissen, wie gefährlich die Situation war.“
Ich reagiere, wie es sich gehört und wünsche erst mal einen guten Tag. Das verblüfft meinen Gesprächspartner merkbar, er quält sich nach kurzer Bedenkpause ebenfalls einen Gruß ab, die Frau an seiner Seite kann sich kein „Guten Tag“ abringen, sie bleibt stumm, ihr Gesicht aber spricht Bände.
Ich fahre fort und sage, dass eben Passierte sei für uns beide kein echtes Ruhmesblatt gewesen, mir täte es leid und ich würde sie beide gern auf einen Kaffee einladen, um das Vorgefallene in Ruhe zu besprechen.
Der Mann blickt rüber zu seiner Frau, er scheint nicht völlig abgeneigt, das Angebot anzunehmen, erntet aber nichts als ein energisches Kopfschütteln. Offensichtlich war eine klare Strategie besprochen zwischen den beiden und die hatte der Mann durchzuziehen. Ohne Kompromisse! So, vermute ich, war es angeordnet.
Also hob er erneut an: Wir hätten uns fehlverhalten, und zwar so gravierend, dass er mich, wenn es sich um eine Prüfungsfahrt gehandelt hätte, durchfallen ließe. Schließlich hätte ich alle notwendigen Geräte an Bord, er schaut dabei auf meinen Plotter und mein Navigations-iPad und müsse schon deshalb in der Lage sein, den Hafen auf sicherem Kurs anzulaufen.
Au Mann, denke ich, der Mann ist Segellehrer, oder schlimmer noch, Prüfer. Sagen tue ich, dass ich unter diesen Umständen nicht ganz verstünde, aus welchem Grund er mich dann unmittelbar nach der Hafeneinfahrt geschnitten hätte. Die ganz feine Art sei das auch nicht gewesen.
Geschnitten hätte er mich nicht, auf keinen Fall, schließlich hätte er nach Steuerbord gemusst, um ins Hafenbecken einzulaufen. Im Übrigen würden sie Anzeige erstatten, seine Frau hätte die gesamte Situation mit ihrem Handy dokumentiert. Klar ersichtlich sei aufgrund der Dokumentation, dass ich sie grob regelwidrig behindert hätte. Einer Anzeige könne ich nur entgehen, indem ich mich entschuldigte und zwar in aller Form.
Ich empfinde das als ein prima Angebot. Auf eine längere und zweifellos wenig zielführende Diskussion mit einen Prüfer oder Segellehrer, egal, habe ich keine Lust. Zumal er, wie vorhin für sensible Menschen bemerkbar war, eine ungnädige Frau im Nacken hat. Eine, die zudem noch in der Lage ist, neben ihrer Fenderarbeit, die verrichtete sie beim Einlaufen, eine gerichtsfeste Filmdokumentation zu erstellen.
Ich entschuldige mich also nach meinen Möglichkeiten formvollendet, der gegnerische Kapitän schaut rüber zu seiner Frau und bekommt das Okay, die Sache damit auf sich beruhen lassen zu dürfen. Die Zwei ziehen von dannen und wir alten Leute setzen unser Kaffeetrinken ohne Gäste fort.
Zu Frau Cornelia äußere ich abschließend, dass mein Tun nicht in Ordnung war, ich hätte dem Mann den verdienten ersten Platz nicht abnehmen dürfen, vielleicht hätte man sich als junger Bengel vor vierzig Jahren solche Frechheiten erlauben dürfen, heute aber sicher nicht mehr, ich wolle es nicht wieder tun. Wenn es noch einmal ziepen würde, ja, dann würde ich den Reiz energisch und bestimmt erfolgreich bekämpfen.
Auf dem Weg zum Fressdorf
Ein Abendessen holen wir uns in einem kleinen Fressdorf, zusammengesetzt aus etlichen Containern, die wie eine Wagenburg im Sechziger-Jahre-Western aufgestellt sind. Unser Essen ist knapp, es besteht ganz überwiegend aus Reis. Wir haben schlecht gewählt.
29. Juli 2022
Unterwegs nach Vitte auf Hiddensee
Die letzten 38 Meilen nach Hiddensee nehmen wir morgens um zehn vor acht in Angriff. Der Wind ist anfangs mehr als mild, im Laufe der nächsten Stunden frischt er auf 4 Bft. auf. Durchweg können wir recht gut anliegen und erreichen den Fährhafen in Vitte um 14:20 Uhr und legen uns bei einer Charteryacht mit Männercrew ins Päckchen.
Frau Cornelia ist zufrieden – wir haben unser zweites Urlaubsziel erreicht. Mit Freude serviert sie den Anlegekaffee. Außerdem belohnt sie mich mit einer Sonderzuteilung süßer Küchlein.
Nach dem Kaffee kommt Thomas, der Hafenmeister, längs, mehr als freundlich werden wir von ihm begrüßt. Die Jungs vom Charterboot wollen morgen früh um sieben Uhr weiter, sie müssen ihr Schiff abgeben. Wir können ihren Platz dann übernehmen.
Der Abend im Vitter Fährhafen