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Eine Tour in alte Zeiten



27.06.2022 | © pt


Sommerreise '22, Teil 1




Seit gestern Nachmittag liegen wir zum ersten Mal in Sonderburg, die Kohinoor, die gute Frau Cornelia und ich, der Steuermann. Gut getroffen haben wir's, einen Platz direkt am Stadtanleger kurz vor der Kong-Christian-Brücke ergattert. Viel Liegemöglichkeit war nicht mehr, als wir eintrafen, das letzte ordentliche Loch in der langen Bootsreihe vor der Brücke schnappte uns eine Bavaria weg, zugegeben sie traf etwa 30 Sekunden vor uns ein und hatte somit deutlich ältere Rechte.

Die Brücke in Sonderburg
Brücke in Sonderburg

Für Kohinoor blieb nur ein Plätzchen von guten zwölfeinhalb Metern, irgendwie schoben wir uns da rein, der Eigner des vor uns liegenden Seglers zitterte erkenn- und für mich nachvollziehbar um seinen Flaggenstock, half dann allerdings trotzdem wieselflink mit inzwischen wieder ruhiger Hand bei unseren Leinen. Danke dafür! Wir alten Leute freuen uns immer, wenn beim Festmachen geholfen wird.

Tja, da sind wir also jetzt in Dänemark und freuen uns auf das, was vor uns liegt, ein winziges Problem aber gibt es, eines, dass wir aus früheren Jahren im Ausland kennen: Unsere Blumenvase funktioniert hier nicht, sie bringt das so wichtige Internet nur in deutschen Landen aufs Schiff. Also brauchen wir dringend eine dänische SIM-Karte, es gibt sie für unglaublich kleines Geld in beinahe jedem Supermarkt zu kaufen. Frau Cornelia hat das wie immer zuverlässig recherchiert.

Also nach dem Anlegekaffee los in den erstbesten Supermarkt und locker ins Regal gegriffen, für 199 Kreutzer, das sind in Euro exakt 26,53, gibt es 200 Gigabyte Internetvolumen, für die geplanten vier Wochen Limfjord sollte das wohl dicke reichen. Nachdem die unnatürlich langen Fingernägel der wohlblondierten Kassiererin von Frau Cornelia das Geld für diesen, nach deutschen Verhältnissen, unglaublich preiswerten Einkauf entgegengenommen haben, stellen wir entsetzt fest, dass wir zwar Internetvolumen, aber beileibe keine SIM-Karte eingekauft haben – ein typischer Alte-Leute-Fehler wohl. Verzeihlich ist er nicht – hat doch wieder mal die Gier den Verstand außer Kraft gesetzt.

Aber zum Glück, die Welt ist gut zu uns, eine Kundin, die direkt nach uns abkassiert wurde erkennt unser Problem, spricht auch noch unsere hier nicht überall verbreitete Sprache und sorgt mit großer Durchsetzungskraft dafür, das die unverhältnismäßig langen Fingernägel der Kassiererin das eben vereinnahmte Geld wieder an uns herausrücken und der erfolgte Einkauf somit rückgängig gemacht ist. Und dann erklärt die liebe Samariterin noch ganz exakt, wohin wir zu laufen haben um Internetvolumen und SIM-Karte gemeinsam erwerben zu können.

Wir bekommen im vorgeschlagenen Geschäft alles was wir benötigen und noch viel mehr – man richtet uns sogar die neue Karte ein. Watten Service! Grandios!

Der neue Morgen ist wenig schön, es zwickt hinten oben und verdammt, auch hinten unten, eigentlich seit Tagen schon, heute allerdings besonders. Mindestens ein Lendenwirbel und vermutlich zwei Brustwirbel sind blockiert,  ich hatte das schon vor Tagen diagnostiziert, bislang war es auszuhalten, heute aber drückt es arg. Zurückzuführen ist meine Unpässlichkeit vermutlich auf den Einbau von sieben neuen Batterien vor einigen Tagen in Harburg.

Es iss aber auch immer was an solchem Schiff, okay, dieses ist jetzt auch schon ordentliche 46 Jahre alt. Die Batterien aber waren erst Vier und Acht.

Frau Cornelia ist gnädig:

„Wir bleiben hier, wir fahren nicht!“, sagt sie und was sie sagt das ist Gesetz. Sie ist die Admiralin.

Ich bin dankbar und beginne flux eine Rückentherapie, rolle auf dem Salonboden hin und her und tatsächlich, zu guter Letzt bin ich erfolgreich – die Wirbel rücken wieder dahin wo sie hingehören. Glück gehabt. Es folgt ein Gang durch die Gemeinde, beginnen tun wir mit einer Umrundung des 1170 erstmals urkundlich erwähnten Backsteinschlosses.

Sonderburg Schloss
Das Schloss an der Hafeneinfahrt

Nebenstraßen und kleine Gassen führen uns zum Zentrum, eine hübsche Stadt, dies Sonderborg. Wir sehen einiges an Jugendstil-Architektur, aber auch dänischen Klassizismus, wie zum Beispiel das Rathaus von 1933, einem Jahr, das hier bei uns zu recht nur negative Einträge in die Geschichtsbücher verursachte.

Zurück am Hafen fällt ein beherzter Einhandsegler ins Auge. Er steuert einen freien Liegeplatz an, Fender hat er keine draußen, auch auf das Vorbereiten von Festmacherleinen hat er komplett und konsequent verzichtet, wohl deshalb, weil er sein Boot beim  knappem Vorbeisteuern an einem schon festgemachten Segler mit einer Reelingsstütze geschickt in dessen Anker lenkt und dieserhalb sofort wie angenagelt festliegt.

Gemeinsam mit einigen Helfern gelingt es, das Schiff so zu verholen, wie es in hiesigen Breiten üblich und wohl auch schicklich ist. Zum gemütlichen Essen gehen wir ins Bistro Grand Mére, das sind vom Schiff nur kleine 20 Schritte. Während der Mahlzeit wird Frau Cornelia abrupt totenbleich:

„Die knallen uns in den Bugkorb, das geht nie gut, au Mann.“

Ein anderer Segler war bei uns längsseits gegangen, etwas unkonventionell wohl, zum Rüberlaufen um zu helfen war es zu spät. Die spätere Kontrolle unserer Steuerbordseite ergab erstens: erkennbaren Schaden hatte es nicht gegeben und zweitens: die zwei neuen Nachbarn waren ausgesprochen nette Kerle.

Die Wetteraussichten für morgen sind unkommod, Regen, den ganzen Tag Regen. Wir werden bleiben in Sonderburg.

Eigentlich wollte ich von Anfang an berichten, sorry. Aber nu ist ja Zeit, es regnet tatsächlich in Strömen und auch ohne Unterlass.



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