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Kurze Wochen 21

Raymarine ist großer Mist und ein Bugstrahlruder keine schlechte Sache



17.08.2021 | © pt


Reise '21, Teil 6

Raymarine ist großer Mist und ein Bugstrahlruder keine schlechte Sache

30. Juli - 10. August




30. Juli 2021

Trotz mieser Wettervorhersagen hält es uns nicht länger hier in Boltenhagen, wie wäre es mit Poel? Könnten wir doch eben hingehen, oder? Für heute ist nur Wind angesagt, kaum Regen. Und tatsächlich - der Tag entwickelt sich ordentlich. Frau Cornelia organisiert uns einen Liegeplatz auf Poel im Vereinshafen von Kirchdorf, wir machen die neun Meilen bei 5 - 6 Bft. aus Südwest mit anständiger Geschwindigkeit unter unserer fast neuen Genua.

vor dem Wind
mit ordentlich Wind auf dem Hintern nach Poel

Um 14:30 liegen wir auf dem reservierten Platz, es ist der einzig freie im kleinen Hafen. Und welche Freude: Das Wetter klart weiter auf, ein angenehmer Mix aus Wolken und Sonne, keinesfalls zu warm. Der Westwind der letzten Tage hat den Hafen runde 50 Zentimeter Wasser gekostet, das Aufhangeln zum Steg ist schwierig. Morgen soll es wirklich grottig werden. Schauen wir mal. Vielfach war es während der zurückliegenden Wochen so, dass das Wetter im Mittel besser war, als vorhergesagt.

hier fehlt das Wasser
runde 50 Zentimeter Wasser fehlen

Wie genau soll es nun weitergehen? Frau Cornelia und ich sprechen darüber. Auf unsere eigene Art - ohne allzuviele Worte. Auf der Terrasse des hafennahen Restaurants mit unangenehmen Zeitgenossen am Nebentisch, in dem wir durchschnittlich zu Abend essen.

Okay, am morgigen Tag wird nichts gehen, wenn man der Wettervorhersage glaubt. Und wir glauben ihr trotz mancher Fehlvorhersage. Übermorgen dann wollen wir noch einen letzten Wismar-Versuch für dieses Jahr machen. Vielleicht schaffen wir es dann ins "Il Casale".

Und danach dann geht es zurück - zuerst nach Harburg. So wollen wir es machen. Ganz gemütlich. Ohne Druck und ohne Eile. Altersgerecht eben.

Poel
Poel von oben


31. Juli 2021

Der Hafen kocht, die kleineren Boote tanzen, die Riggs singen und pfeiffen unangenehm. Kein schöner Tag, mindestens so gruselig wie vorhergesagt zeigt er sich. Unsere Fender werden so gequetscht, dass eine Rolle der Genuareffleine beginnt den Steg anzuknabbern. Mit ein wenig Kraftaufwand kann ich das Problem beseitigen. Eine zusätzliche Achterspring bringe ich noch aus. Sicher ist sicher. Es federt so auch besser. Ruckt weniger.

Starkwind auf Poel
Seegang im Hafen

Regen
von drinnen betrachtet ist es auch nicht besser

Ansonsten ist Drinnen angesagt. Wir sparen jeden Ausflug weg. Schade eigentlich, denn Poel ist eine wunderschöne Insel. Sie strahlt viel Ruhe aus, bietet leere Strände und wenig Menschen - auch im Sommer. Aber heute - nein. Hätten wir einen Hund, wir jagten ihn nicht nach draußen heute.

viel Wind
bis zu 32 Knoten und hin und wieder noch etwas mehr zeigte die Winduhr

Am späten Nachmittag wagt Frau Cornelia einen kurzen Ausflug. So schlimm sei es gar nicht, erzählt sie, als sie mit zerwühlten Haaren zurückkehrt. Im Ort würde es nicht so heftig pfeiffen. Vielleicht könnten wir doch einen Happen essen gehen. Wir machen das. Sitzen auf einer Terrasse, deren Markise wegen des Windes eingerollt ist. Prompt speisen wir zumindest zeitweise mit ordentlicher Beregnung. Wir allerdings haben es besser getroffen als andere Gäste. Irgendetwas bietet uns etwas mehr Schutz als Anderen. Trotzdem sind wir froh, als die Mahlzeit beendet ist und wir wieder in unser Kellerloch steigen können. Deutlich gemütlicher ist es hier.


1. / 2. August 2021

Wir legen uns auf den gleichen Platz wie vor einigen Tagen. Der Wismarer Wasserwanderplatz ist nach wie vor kaum besucht. Unser Stegnachbar mit der Dehler ist noch da. Es sei kein Wetter für ihn gewesen, berichtet er uns, als er verwundert zur Kenntnis nimmt, dass wir wieder da sind und an unserem alten Liegeplatz festgemacht haben.

Ohne Regen kamen wir bis Wismar, ein Geschenk nach dem gestrigen Tag, jetzt ziehen plötzlich wieder heftige Schauer aus westlicher Richtung über uns hinweg. Im Viertelstundentakt Regen, kein Regen, Regen. Am frühen Abend reißt die Wolkendecke auf. Ein Blick in den Himmel macht mich sicher: Es hat sich ausgeregnet. Zumindest für die nächste Stunde. Mit Glück sogar für Zwei.

"Komm Spatzerl", sag ich zu Frau Cornelia, "wir versuchen's mit dem Il Casale."

Keine zehn Minuten später stehen wir vor dem Lokal. Alle Stühle sind aufgestapelt, kein Gast auf der Terrasse. Die Sonne brüllt von oben.

"Kann doch nicht wahr sein. Haben die's nicht mehr nötig?" Ich gehe ins Lokal, spreche einen freundlich schauenden Keller an:

"Wie sieht es aus? Wir würden gerne Essen - draußen."

"Oh mio, kommente Regen, no, non è possibile. Kanneste Du sitzen drinne.", antwortet mein Gesprächspartner mit seinem unnachahmlich spaßigen italienischem Akzent.

Es käme kein Regen, ich sei da sicher und eines sei klar, das Risiko ginge auf uns. Wir würden gern draußen sitzen. Mit oder ohne Regen.

"Warte uno Momente." sagt der Mann, dreht sich um und bespricht sich mit anderen Mitarbeitern, kommt zurück, "Okay, Deine Risiko, comprende?"

Wir sind seelig, wir haben die freie Wahl, suchen uns den schönsten Tisch aus. Unter einem riesigen Sonnenschirm. Hier kann es regnen wie es will. Keinen Tropfen würden wir abbekommen.

Wir haben es uns kaum gemütlich gemacht, da strömen Massen von Menschen auf die Terrasse. Alle wollen sie draußen sitzen. Kein Wunder bei dem herrlichen Wetter. Wenn's man hält.

Als unser Kellner unsere Getränkewünsche aufnehmen will zeige ich in die Runde:

"Schau", sag ich, "da habt ihr doch ein schickes Zusatzgeschäft. Nicht schlecht, oder? Ich denke mal, zehn Prozent vom Umsatz hier draußen für mich sind angemessen. Was denkst Du?"

Er zögert kurz, sagt dann mit breitem Lächeln:

"Issete gut, so mackede wir."

Wir essen, wie immer hier, wirklich gut, haben es gemütlich und rund - werden mehr als anständig bedient. Natürlich zahlen wir den vollen Preis zuzüglich eines angemessenen Trinkgelds.

Il Casale in Wismar
geschafft, wir sitzen im Il Casale

Da hat sie sich schon gelohnt, die nochmalige Fahrt nach Wismar.

Den Folgetag verbringen wir mit einigen Besorgungen und Radfahren. Den Fahrradlieferanten von Frau Cornelia versuche ich noch anzurufen, bislang haben die Leute sich noch nicht wieder gemeldet. Den zuständigen Sachbearbeiter bekomme ich nicht ans Telefon. Ich schreibe eine Mail, sie ist nicht mehr ausschließlich freundlich und dringt auf die Einlösung der gemachten Zusagen.


3. August 2021

Es wird ernst, wir beginnen den Rückweg. Das Ziel heute ist geplant Großenbrode, die Bucht haben wir noch nie besucht, wir wissen nichts darüber. Ich telefoniere mit Kumpel Ralf, er kennt die Ecke: "Halligalli da.", sagt der. Wir planen um. Nochmal Orth wäre auch nicht schlecht, beschließen wir. Zusätzlch hätte Orth den Vorteil, dass wir morgen einige Meilen sparen würden. Wir wollen dann nach Heikendorf schauen, da waren wir schon lange nicht mehr.

Also los um zehn nach neun, das ist echt früh für uns. Wir sind geduscht, Frühstück gab es keines - Seefrühstück ist befohlen. Für mich immer eine schöne Sache, ich muss nichts tun - nur essen.

Seefrühstück
Frau Cornelia bereitet herrliches Frühstück

Noch ist der Himmel zu, dicke Wolken hängen am Himmel. Je weiter der Tag fortschreitet, umso besser wird es. Ein runder Segeltag liegt vor uns. 38 Meilen müssen wir machen und es läuft ordentlich, am Ende werden wir bei moderatem Wind einen Schnitt von 5,5 Knoten gemacht haben. Von Haus zu Haus, besser Liegeplatz zu Liegeplatz. Das ist nicht so schlecht.

historischer Segler
noch hängen dichte Wolken am Himmel

Segeln
läuft gut...

Segeln
...und die Wolken werden immer weniger

Um 16:00 Uhr liegen wir unter dem Kran an der Kaimauer von Orth. Morgen müssen wir dann das Schießgebiet Todendorf/Naval umfahren um in die Kieler Förde zu kommen. Die Jungs und inzwischen auch Mädels von der Bundeswehr arbeiten wieder und ballern unter der Woche munter auf's Meer hinaus. Als wir kamen vor einigen Wochen hatten sie Urlaub. Wir konnten das Schießgebiet problemlos durchfahren und sparten so einige Meilen Strecke.


4. August 2021

Mann, Mann Mann - es geht früh aus der Koje. Etwa 40 Meilen warten auf uns. Der Tag ist wirklich jung, um 08:30 ziehen wir die Leinen von den Pollern - natürlich ist wieder Seefrühstück. Während Frau Cornelia im Keller Brötchen zubereitet, hört sie nebenbei den Funk ab. Frauen können so unglaublich viele Dinge gleichzeitig und immer perfekt erledigen.

"Du", ruft sie hoch, "wenn ich das richtig verstanden habe und da bin ich sicher, darf das Schießgebiet doch befahren werden, zumindest der Kiel-Fehmarn-Weg."

Um völlige Klarheit zu haben rufe ich eben an und erfahre auf Kanal 11, dass wir tatsächlich den Kiel-Fehmarn-Weg und alles was nördlich davon liegt, befahren dürfen. Das spart Strecke, Wind haben wir sowieso nicht.

Wolken
auf dem Weg in die Kieler Bucht

Nicht alle waren so schlau wie Frau Cornelia, die Hinweise auf Kanal 11 abzuhören, nur ein weiterer Segler läuft hinter uns auf gleichem Kurs. Deutlich nördlicher sind all die Anderen unterwegs, sie umfahren das komplette Warngebiet und nehmen damit einen erheblich weiteren Weg in Kauf. Außerdem gibt es zu Hauf diejeneigen, die sich um nichts scheeren - oder aber ahnungslos sind. Beinahe im Minutentakt kommen Anrufe der Sicherungsboote durch den Funk: "Yacht sowieso, Sie befinden sich in einem aktiven Warngebiet. Es wird scharf geschossen. Verlassen sie das Übungsgebiet unmittelbar." So oder ähnlich klingen die Anrufe, manch Skipper reagiert sofort, andere wollen partout nicht hören, oder können nicht, weil sie den Funk nicht anhaben.

However, wir ziehen gemütlich dahin bis, ja, bis unser Raymarine-Plotter Sachen macht. Er zoomt automatisch, verkleinert im nächsten Moment, springt hin und her, zeigt Südafrika und wer weiß was. Beruhigen läßt er sich nicht, reagiert auf nichts.

Wir schalten ihn aus, wieder an - es ändert sich nichts. Das Ganze noch einmal und wieder. Jo, jetzt läuft er. Pustekuchen, der Bildschirm friert ein. Nix geht! Garnichts!

defekter Raymarine Plotter
Kein Verlass auf den "Raymarine-Plotter a9"...

defekter Plotter
... er springt hin und her, friert ein

Einige Male in den letzten Wochen war schon ähnliches passiert. Aber nie so brutal. Ausschalten und wieder hochfahren half in der Regel. Heute aber nicht. Zum Glück ist die Situation in keiner Weise dramatisch. Wir wissen wo wir sind, das Wetter ist komot und ... wir haben noch unseren guten alten Bordrechner, auf dem ich in der Regel die Navigation mache und auch häufig Routen hinterlege.

Also alles kein Problem. Oder vielleicht doch? Was ist, wenn ich mich gar nicht auskenne im Revier und der Plotter beginnt zu spinnen? Was ist, wenn ich mitten in einer komplizierten Ansteuerung stecke, wenn ich mich in untiefem Gewässer bewege? Und zufällig keinen Bordrechner dabeihabe, der mir meist zuverlässige Daten liefert - auch in die Plicht.

Natürlich, wird mancher alte über Jahrzehnte erfahrene Fahrensmann den Kopf schüttelnd sagen, dann geh ich in die Karte, die habe ich doch immer liegen. Mit allem was dazugehört. Iss klar, oder?

Ich frage: Ist das tatsächlich so? Liegt die Karte immer und überall bereit? Und sind wir heute noch wirklich alle in der Lage unmittelbar damit umzugehen? Und was ist mit dem entstehenden Stress, der bei vielen aufkommen wird, wenn sich die Navigation plötzlich und genau dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann, verabschiedet?

Hektische Betriebsamkeit entsteht. Das Ding muss doch wieder laufen! Aus. An. Aus. Wieder an. Und rums, mit Pech sitzt man auf dem Sand oder sonst irgendwo, wo man partout nicht hinwollte. Kleines Bonmot am Rande. Im beschriebenen Fall liefert das Radar natürlich auch keine Bilder mehr. Pech, weil alles mit allem vernetzt ist heutzutage und das Radarbild auf dem gleichen Gerät dargestellt wird.

Ich behaupte: Raymarine ist großer Mist. Wie es mit Plottern anderer Hersteller aussieht, vermag ich nicht zu beurteilen. Da werden Geräte auf den Markt geschickt, insbesondere solche mit "Touch-Sreen-Bildschirmen", die in keiner Weise ausgereift sind. Sicherheit und Komfort werden vorgegaukelt, aber nicht geliefert. Das Ganze ist brandgefährlich, so finde ich. Und da hilft es nichts, dass bei jedem Einschaltvorgang der versteckte Hinweis auftaucht, dass das Gerät auf keinen Fall als einzige Navigationsquelle genutzt werden darf.

Weil ich gerade so dabei bin und geifere, ein wenig noch zur Geschichte unseres Plotters "a9" von Raymarine:

Das Gerät wurde 2016 auf der Kohinoor installiert. Eigentlich wollte ich nur ein neues Radargerät, das alte war deutlich in die Jahre gekommen und ein paar neue Instrumente.

So wie ich mir das vorstelle, nein, dass gebe es heutzutage nicht mehr, hieß es von seiten des Instrumentenlieferanten. Völlig aus der Zeit gefallen seien meine Vorstellungen. Und überhaupt: Viel besser sei doch sein Angebot, einen Navigationsplotter bekäme ich gleich hinzu, hätte alle Geräte auf einem Bildschirm und natürlich, den Autopiloten könne mann auch gleich mit einbinden. So fände das Schiff quasi von allein von Steg zu Steg. So ginge Technik heute. So sähe der Fortschritt aus. Das müsse doch selbst ich verstehen.

Die Einbindung des Autopiloten übrigens wollte ich unter keinen Umständen, nein darauf würde ich verzichten.

Ich ließ mich auf den Plotter ein, konnte ab sofort sogar die Wassertemperatur um mich herum auf dem Display aufrufen, mir scheinbaren und wahren Wind anzeigen lassen. Gefühlte hundert weitere Optionen waren verfügbar - machten allerdings zum Hervorkitzeln aller möglichen Funktionen mindestens ein Bachelor-Studium in Gerätehandhabung notwendig.

Ich verzichtete auf das Studium und nutzte nur die rudimentären Möglichkeiten der Maschine, sicher, der Kartenplotter war hilfreich, ließ sich problemlos per Fingerwisch- und Spreitztechnik bedienen, auch das Radar war in Ordnung. Soweit war ich zufrieden, schick aussehen tat das Gerät auch, machte etwas her.

Vorbei war es mit der Zufriedenheit als Ende der Saison 2018 der Bildschirm einfror, keiner meiner Finger bewirkte noch irgendetwas.

"Putzen Sie mal das Display, das wird helfen", riet mir irgendein ignoranter telefonisch kontaktierter Servicemitarbeiter. Es half natürlich nichts. Mehrfaches Ein- und Ausschalten brachte mitunter etwas, nicht immer. Im Grunde war der "a9" wertlos geworden, nach eben zwei Jahren Lebensdauer, davon die größte Zeit im ausgeschalteten Zustand.

Ich reklamierte die Maschine ohne große Hoffnung. Keine Chance, teilte mir Raymarine Deutschland mit, eben sei der "a9" ja zwei Jahre alt geworden. Pech gehabt, die Garantie sei abgelaufen. Es täte ihnen leid. Aufrichtig, das könne ich glauben.

Ich glaubte das nicht, mich wunderte, dass der Plotter so kurz nach zwei Jahren Lebensdauer den Dienst quitierte und versuchte mich ein wenig schlau zu machen. Während meiner Recherchen traf ich am Telefon auf einen unglaublich schlauen und ehrlichen Mann, der unter anderem Raymarine Geräte vertreibt. Den Namen werde ich hier nicht nennen.

Die Geräte mit Touch-Skreen seien alle Schrott, erklärte er mir. Er vermute, das Feuchtigkeit eindringen würde zwischen Glasscheibe und die darunter liegende, auf Kapazitäten reagierende, auflaminierte Schicht. Ich sei nicht der erste und einzige der Probleme hätte. Allein er habe etliche Reklamationen gehabt in den vergangenen Monaten.

Okay, das wußte ich nun und einiges mehr. Ich schrieb wieder an Raymarine. Die Geräte seien einwandfrei, Reklamationen habe man praktisch keine, wurde ich belehrt. Im übrigen sei man weltweit führend mit Produkten für die Seefahrt. Aber, man wolle mir entgegenkommen, für, ich weiß es nicht mehr ganz genau, runde 600,-- Euro biete man mir eine Reparatur meines Plotters an. Ein gewaltiges Entgegenkommen sei das von ihrer Seite, man hoffe, dass ich diese Großzügigkeit genügend zu schätzen wisse.

De jure waren die Leute sicherlich im Recht, mich ärgerte die kaltschnäuzige Art der Kommunikation zutiefst. Darum formulierte ich ein letztes Schreiben, dankte herzlich für das ergangene Angebot, das ich allerdings nicht annehmen wolle. Vielmehr würde ich die Raymarine-Gerät nunmehr ausbauen lassen und anderweitig neue Navigationshardware beschaffen. Man möge sich bitte nicht weiter bemühen und solle es mir bitte nicht übelnehmen, wenn ich das Erlebte auf meiner Webseite verarbeiten würde.

Es dauerte nur wenige Tage, da gab es ein neues Schreiben. Man habe Rücksprache gehalten mit der Zentrale in Großbritannien und sei übereingekommen, die Reparatur zu übernehmen und natürlich auch den notwendigen Aus- und Wiedereinbau des "a9". Man enschuldige sich ausdrücklich für die mir bereiteten Unannehmlichkeiten.

Traurig, woll? Erst frech und dann so devot.

Ich bin korrumpierbar - ich nahm das Angebot an. In der nächsten Saison hatte ich einen neuen Plotter - er funktionierte bis eben gerade. Darum noch einmal: Der Raymarine "a9" ist großer Mist. Ein weiteres Mal werde ich ihn sicher nicht reparieren lassen. Auch nicht wenn ich Geld dafür bekomme.

Um halb drei machen wir im Fischereihafen von Heikendorf, eigentlich Möltenort fest. Einen schönen Platz direkt am schwimmenden Hafenrestaurat haben wir gefunden. Der Hafenmeister ist ausnehmend nett, er kommt sogar extra raus, weil ich zu blöd bin, die Stromsteckdose für Gäste zu finden.

Rimo 1
das vorzügliche Hafenlokal in Möltenort

Nun wieder zum Essen: Wir speisen auf dem Steg, sitzen an einem der wenigen Tische des "Rimo1" und fühlen uns so wohl wie selten. Man habe keine Speisekarte, leider, es würde nur angeboten was jeweils frisch hereinkäme, klärt uns die unaufdringlich freundliche Cheffin des schwimmenden Restaurants auf. Und es ist wirklich top, was wir auf liebevolle Art serviert bekommen. Freund Rudolf würde in höchsten Tönen loben, er ist ein bekennender Fischfreund und hätte großes Vergnügen an diesem Essen. Die Beilagen sind auch vom Feinsten, Frau Cornelia lässt sich das Rezept ihres Gemüses geben. Essen und Zubereitung hatte uns vorher schon der Koch erklärt. Extra war er aus seiner Küche im Bauch des Schiffes rausgeklettert. Erwähnen muss ich noch die Bratkartoffeln: Ein Gedicht für Liebhaber!

Kielere Förde
der Blick vom Stinnes-Park

Um die Verdauung anzuregen machen wir noch einen kleinen Gang zum Stinnes-Park und der Seebadeanstalt von Heikendorf.


5. August 2021

Als wir um kurz nach zehn die Leinen lösen um nach Rendsburg zu gehen steht die Wirtin des "Rimo 1" an unserem Heck. Sie wolle uns doch eben noch eine schöne Reise wünschen. So lieb die Frau.

Über Laboe, dort tanken wir noch eben, gehen wir zu den Kanalschleusen, um genau zwei Stunden und fünundfünfzig Minuten auf Einlass zu warten. Ich glaube, das ist Rekord für uns, so lange hatten wir's noch nicht. Manchmal schon war uns das Glück hold, wir kamen und die Tore standen offen. Heute eben heißt es warten. Um 18:00 Uhr erreichen wir den RVR-Hafen in Rendsburg, nachdem wir den Hebel richtig auf den Tisch gelegt haben. Im schon am sich öffnenden Schleusentor beginnenden Rennen von sicher 30 Booten belegen wir einen hervorragenden zweiten Platz. Preise werden nicht vergeben.

NOK-Schleuse Holtenau
nach drei Stunden Wartezeit endlich in der Schleuse

Das "Riverside" ist geschlossen. Man bedauert, man habe einen Krankheitsfall, vermeldet ein hastig hinter eine Scheibe geklebter Zettel.

Wir heben die Räder von Bord und machen ein paar Einkäufe beim nahegelegenen Schiffsausrüster. Das stand sowieso an, Essen gibt es danach in der Strandbar an der Obereider. Es ist Selbstbedienung und geht so.


6. August 2021

Es geht zur Gieselauschleuse, einem Lieblingsziel von mir. Frau Cornelia ist, anders als ich, nicht so begeistert von dem Ort. Sie quält immer noch die Erinnerung an einen Aufenthalt dort vor vielen Jahren. Es war damals über dreißig Grad im Schatten, völlig windfrei und wir hatten einen bis in den Abend hinein sonnigen Platz. Heute wird es anders sein, es ist windig und soll später heftig regnen.

Giselauschleuse
Liegeplätze an der Gieselauschleuse

Ich mag die kleine Liegestelle vor der Schleuse sehr, sie ist ruhig und höchstens am Abend von einigen Booten besucht. Links und rechts des Kanals stehen dichtes Gestrüpp und Bäume - ein Idyll. Zuviel schwärmen will ich nicht davon. Bislang bekommt man immer einen Liegeplatz.

die Gieselau
die Gieselau

Am späten Nachmittag schüttet es tatsächlich wie aus Kübeln, die Nacht ist gemütlich. Das Abendessen aus der Bordküche war lecker, es gab Bratkartoffeln, Krabben und Spiegeleier. Danke Frau Cornelia.


7. August 2021

Es warten auf uns die restlichen vierzig Kilometer nach Brunsbüttel, stören tun nur vier große Pötte, die einfach nicht von uns wegziehen wollen. Immer wieder müsen sie an Weichen stoppen, um Entgegenkommern auszuweichen. Dann wieder laufen sie deutlch langsamer als die für sie erlaubten acht Knoten. Das nervt ungeheuer. Drei Segler, darunter wir, fassen sich irgendwann ein Herz und setzten zum Überholen eines wirklich Großen an. Er zieht mit nur fünf Knoten dahin und stinkt infernalisch. Kohinoor ist der dritte in der Reihe, die auf der rechten Seite zum Überholen ansetzt. Plötzlich reduziert das vor mir laufende Boot die Geschwindigkeit drastisch. Nun überhole ich zwei Schiffe, ein recht großes zur Linken und ein deutlich kleineres zur Rechten. Es geht gut, wohl ist mir dabei nicht. Und der andere Segler wird mein Verhalten als rüpelhaft eingeordnet haben. Sorry! Später wird mir klar, dass die Maschinenleistung des Vorausfahrenden nicht ausreichte, um gegen das von dem Großen verdrängten Wasser anzukommen. Nochmal Sorry.

Brunsbüttel erreichen wir wohlbehalten. Der kleine Hafen wird voll am Abend. Dreierpäckchen sind obligatorisch heute. Wir waren noch früh genug und haben einen Platz am Steg erwischt. Mit 4 Ampere abgesicherter Steckdose.


8. August 2021

Auch heute ist Geduld angesagt. Unser Ziel ist Harburg. Wir brauchen den mitlaufenden Flutstrom auf der Elbe. Sonst können wir unser Ziel nicht erreichen. Wenn wir um halb elf in der Schleuse liegen wird alles gut werden. Um kurz vor elf beginnt das Wasser in die richtige Richtung zu strömen.

Schleusentore Brunsbüttel
kein Einlass für die Yachties

Aber die Schleusenwärter kennen keine Gnade. Wir warten, warten und warten. Erst in Kiel und jetzt wieder. Es ist nach zwölf, als wir in die Schleuse einlaufen. Zusammen mit einem Binnenschiff und deutlich zwanzig anderen Sportbooten. Mann, Mann Mann, ob die Zeit noch reicht für Harburg?

Brunsbüttel Schleuse
und die Großen haben natürlich Vorrang, sie verdienen ihr Geld mit dem Fahren

Beim Festmachen in der Schleusenkammer kommt es zu einem kleinen Missgeschick. Vorausschicken will ich gleich, mir hätte ähnliches passieren können. Zum Festmachen in den NOK-Schleusen muss Frau Cornelia regelmäßig vom Schiff herunter, um die Vorleine durch einen der spärlichen Ringe zu stecken und provisorisch zu sichern. Wenn sie damit durch ist, nimmt sie meine Heckleine an, steckt sie ebenfalls durch einen Ring und reicht mir das lose Ende hoch. Meine Aufgabe während des Prozederes ist, unsere dreizehn Tonnen Schiff in Position zu halten.

So weit so gut. Auch heute. Mit einem winzig kleinen Unterschied:

Frau Cornelia vergißt natürlich nicht die Sicherungsschläge, läßt aber erheblich zuviel Lose in der Vorleine, weil sie glaubt zügig hinten mit der Achterleine helfen zu müssen. Mir bleibt das verborgen. Genau bis zu dem Moment, ich beginne gerade einen Seitenlieger anzunehmen, als ich feststelle, dass sich unser Bug gefährlich dem neben uns liegenden Binnenschiff nähert. Das Boot, dass sich an unsere Seite legen wollte kann eben noch weiter nach vorne durchhuschen. Es muss nicht als Prellbock dienen und hat insofern großes Glück gehabt. Ich drehe auf dem Absatz um und hechte nach hinten zu meinem Steuerrad. Und nun beginnt das Wunder: Ein beherzter Druck auf die Fernbedienung für das Bugstrahlruder und der Bug bewegt sich langsam aber kontinuierlich zurück in Richtung Schleusenwand. Puh, watt schön, so ein Bugstrahlruder zur rechten Zeit eingesetzt. Eine sinnvolle Investition, so habe ich es gerade gelernt.

Der Rest ist Routine, Frau Cornelia reicht mir die Vorleine hoch und ich lege sie auf die Klampe. Danach können wir ein anderes Boot an unsere Seite nehmen. Zum guten Schluss haben alle Wartenden einen Platz in der alten Brunsbütteler Schleuse gefunden.

Als sich um gut halb eins die elbseitigen Tore öffnen, brüllt uns ordentlicher Wind entgegen. Es bläst aus Südwest. Deutlich stärker als vorhergesagt. Aber die Richtung stimmt. Beinahe perfekt sogar.

rasent schnell die Elbe rauf
mit Macht geht es die Elbe hoch

Navigationsplotter
heute arbeitet der Raymarine ein wenig und dokumentiert unser Tempo

Mit rasender Geschwindigkeit geht es die Elbe rauf, bis zu 10,6 Knoten über Grund schaffen wir. Fast auf der gesamten Strecke können wir gut anliegen. Es passt alles. Meine Sorgen sind völlig unbegründet, das Wasser schiebt bis zur Kattwykbrücke vor Harburg. Und die steht auch noch offen, als wir sie um fünf erreichen. Wir hatten mit einer Wartezeit bis sechs Uhr gerechnet, da wäre eine reguläre Öffnung gewesen. So ist es sehr viel besser, warum auch immer das Ding offensteht.

Kattwykbrücke
die Kattwykbrücke steht offen

Als wir ankommen schließt die Harburger Schleuse soeben das Tor zur Süderelbe. Auf meinen Funkspruch hin aber öffnet sie noch Mal extra für uns. Wir kriechen zu den beiden anderen verloren im großen Schleusenbecken liegenden Sportbooten hinein. Netter Schleusenwärter. Danke. Alles gut gelaufen. Das lange Warten in Brunsbüttel ist vergessen. Direkt um die Ecke ist unser reservierter Liegeplatz bei den netten Leuten vom Yachtclub Hansa. Hafenmeister Karl-Heinz nimmt unsere Leinen an und reicht den so wichtigen Schlüssel für das Tor herüber. Tagesziel erreicht und 46,7 schnelle Meilen gemacht. Respekt alte Kohinoor!


9. / 10. August 2021

Um halb elf morgens stehen Kind Annika und Kind vom Kind Luisa neben dem Schiff. Ich selbst bin gerade unter der Dusche, höre die Beiden eintreten und freue mich über den Besuch.

Yachtclub Hansa
Yachtclub Hansa in Harburg

Die beiden Tage hier in Harburg sind rein familiärer Natur und interessieren insofern keinen Menschen außerhalb. Erzählt sei nur, dass wir zur Einschulung von Enkelkind Luisa hergekommen sind. Ein großer Tag in so einem jungen Leben.

Zwei längere Taxifahrten machen wir in diesem Zusammenhang. Die mitteilungsfreudigen Fahrer der Autos erzählen uns viel über die seit langem desolate Verkehrssituation in Harburg - viele Straßen sind gesperrt, etliche Umleitungen eingerichtet. Kein Vorankommen in der ganzen Stadt. Ein Skandal! So ähnlich lassen sich die Beiden ein und damit wird uns auch klar, warum wir die Kattwykbrücke offenstehend vorfanden, seit langer langer Zeit wird gebaut und repariert an der Doppelbrücke, meist ist sie für den rollenden Verkehr nicht nutzbar.

Neubau in Harburg Hafen
es wurde viel gebaut im Hafen in den vergangenen Jahren

Abschließend sei die Geschichte zum Schlüssel erzählt, den Hafenwart Karl-Heinz uns bei unserer Ankunft übergab:

Jahre zurück liegt die Begebenheit, wir besuchten ebenfalls die Kinder in Harburg und lagen zum ersten Mal bei Hansa im Binnenhafen. Und wie es so ist, wir hielten uns nicht nur auf dem Schiff auf, machten zu meinem Leidwesen auch Landgänge. Eines Tages wurde es recht spät. Besuch bei den Kindern, hinterher gemeinsames Essengehen oder ähnlich. Auf jeden Fall, es war deutlich dunkel, als Kind Annika uns zurück zur Kohinoor chaufierte, so gegen 23:00 Uhr mag es gewesen sein. Und weil eben nicht alles glatt läuft im Leben, landeten wir vor einem verschlossenen Tor, mehere Meter hoch war es und für normale Menschen, insonderheit für mich, unüberwindlich.

Da standen wir nun runde fünfzig Meter von unseren Kojen entfernt, aber ohne Aussicht sie auch nutzen zu können. Guter Rat wurde extrem teuer, telefonisch war der Hafen nicht zu erreichen, auf lautes Rufen reagierte kein Mensch, nicht mal ein Hund begann zu kläffen. Sturmgeräte wie Leitern, hohe, stapelbare Kisten oder ähnliches waren in weitem Umkreis nicht auffindbar, unsere bis dahin gute Laune bröselte dahin.

Irgendwann machte ich mich auf, lief den sich an das Tor anschließenden Zaun ab, vielleicht fände sich ein Loch. Weit gefehlt, dieser Zaun befand sich in einem hervorragenden Zustand, Nachlässigkeiten in der Instandhaltung waren zumindest in der finsteren Nacht nicht zu enddecken. Der Yachtclub Hansa schütze sein Eigentum und das seiner Gäste vorbildlich, konnte ich berichten, als ich zu den beiden Mädels zurückkehrte. Gern hätten wir es anders gehabt.

Ich machte einen zweiten Inspektionsgang, Kind Annika begleitete mich und leuchtete mit ihrer im Telefon integrierten Taschenlampe das dichte Gestrüpp aus, in das es hineinging. Eine Grundstücksmauer war zu überqueren, das gelang unter Inkaufnahme des Ruinierens einer an der Mauer stehenden Mülltonne, der Deckel hielt meinem Gewicht nicht stand. Aber es war für die gute Sache. Außerdem hatte die Tonne augenscheinlich schon seit Jahrzehnten keinen frischen Müll gesehen. Insofern sah ich den angerichteten Schaden als verzeihlich an. Nach dem Überwinden der Mauer landete ich wieder am Zaun. Er setzte sich fort bis ins Hafenbecken. Einen guten Meter weit denke ich.

Das müsse gehen, dachte ich bei mir selbst, wenn ich mich gut in den Maschen des Zauns verklammern würde müsste ich es auf die andere Seite schaffen, wenigstens ich, Frau Cornelia nicht, sie ist zu klein. Das Problem aber würden wir später lösen. Der aus gewisser Entfernung eher schwache Schein der Handylampe, nicht alles Moderne ist schlecht, wies mir schummerig den Weg. Und tatsächlich, mit nur wenig nassen Beinen schaffte ich es auf die andere Seite - und war unendlich stolz auf mich.

Nun nur noch Frau Cornelia herbeischaffen, dann wäre die Welt wieder wie sie war. Auch das gelang. Kind Annika machte am Tor eine klassische Räuberleiter, Frau Cornelia konnte sich auf den First des Zaunes hangeln und lies sich langsam in meine Arme gleiten.

Den Abend beschlossen wir mit einer ordentlichen Portion braunen Schnapses.

Seitdem bekommen wir bei unserer Ankunft in Harburg direkt und feierlich den Schlüssel zum Tor überreicht.




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