2018 | © pt
19.06.2017, Montag
Noch mal nach Kappeln. Vorher muss die arme Frau Cornelia noch dringend in die Stadt. Zum Schuhfachhändler. Es schmerzt zwischen großem Zeh und dem danebenliegenden.
„Vielleicht können die ja an dem Riemen was machen. Der schneidet so ein. Ist ganz wund da.“
„Ach ja? Komisch“, sage ich.
Wir starten um viertel nach zwölf. Früh genug. Es ist nicht weit. Nach Kappeln fahren wir, um uns neu zu verproviantieren. Wartet doch eine in weiten Bereichen völlig fremde Welt auf uns, Länder, die dem Euro nicht beigetreten sind und von denen für uns nicht klar ist, ob die von uns bevorzugten Lebensmittel und Getränke dort überhaupt feilgeboten werden.
Einen losen neuen Plan haben wir nämlich in den letzten zwei Tagen geschmiedet, trotz des Reinfalls mit dem Götakanal: Zuerst Dänemark, dann Schweden bis oberhalb Göteborg, dann vielleicht Limfjord und danach noch kurz Rügen und nach Polen, bevor es wieder nach Hause geht. So lautet die Grobplanung, Variationen sind jederzeit diskutierbar und möglich. So haben wir’s besprochen.
Um 14:25 Uhr erreichen wir die Lindaunisbrücke. Brückenöffnung jede Stunde um 45. Nur heute nicht. Um 15:00 Uhr ruft Frau Cornelia die Brücke an. Einen Funkkanal haben sie nicht, komisch.
Die Brücke sei kaputt, die letzte Öffnung hätte noch geklappt, jetzt ginge nichts mehr. Der Techniker sei unterwegs. Wann es weiterginge – ja das stünde in den Sternen.
Eine gute Stunde weiter ist es soweit. Nach zwei Fehlversuchen mit nur knapp halber Öffnung tut sich das Tor auf. Inzwischen hat sich einer ordentlicher Pulk an Wartenden gebildet. Einer aus der Gruppe gibt richtig Gas.
„Klappt nicht, das wird nichts“, rufe ich ihm nach.
„Wird, da bin ich sicher“, kommt es zurück.
Er will, das sei eben erklärt, die nächste Brückenöffnung in Kappeln erwischen und nicht die 20 Minuten warten, die es kostet, wenn man mit erlaubter und gleichzeitig vernünftiger Geschwindigkeit fährt.
Wir ziehen in Kappeln brav einige Kreise und wundern uns: Der Mann ist tatsächlich nicht da. Die Brücke geht auf, da schleicht der Kollege aus dem kurz vor der Brücke liegenden Hafen und reiht sich in die Schlange ein.
„Siehste“, sag ich zu Frau Cornelia „konnte ja nicht klappen.“
Um sechs Uhr liegen wir wieder vor Kappelns Restaurantzeile.
20.06.2017, Dienstag
Provianteinkauf. Schwere Taschen am Fahrradlenker, schwere Taschen im Fahrradkorb, so radeln wir quer durch die Stadt, die Einkaufsmärkte liegen außerhalb. Der Rest ist Freizeit. Wir sind gerüstet. Morgen setzen wir uns ab nach Dänemark, erstes Ziel Bagenkop.
21.06.2017, Mittwoch
Wettervorhersage DWD (Deutscher Wetterdienst): Vier Bft aus Nordwest. Es ist kalt aber sonnig. Um 09:45 Uhr starten wir bei wieder viel Querstrom. Kurz nach der Schleimündung sehen wir erstaunt ein Floss. Ein Floss auf der Ostsee, angetrieben von einem kleinen Außenborder. Drei Männer sind an Bord. Wir hatten es gestern Abend schon kurz registriert. Es schlich am Stadthafen an uns vorbei. Wenn das mal gutgeht. Am Freitag wird Frau Cornelia mir beim Frühstück vorlesen, dass die Männer in der Kieler Förde vom Rettungskreuzer abgeborgen werden mussten. Der Wind hatte inzwischen nicht mal zu stark zugelegt.
Drei Mann auf einem Floß
Wir erreichen nach einigen schönen Segelstunden gegen viertel nach drei Bagenkop. Frau Cornelia war zwischenzeitlich nicht ganz wohl, sie muss sich erst wieder gewöhnen.
Kräftig Gas gebend laufen wir in eine Box ein. Mit den Scheuerleisten müssen wir die Heckpfähle auseinanderdrücken. Zwei Männer helfen. Ein netter kleiner Hafen. Drumherum ein Ort mit exakt 483 Einwohnern und genau einem Einkaufsladen. Eine Bank ist nicht am Ort, ein Geldautomat fehlt auch. Zahlen kann man aber mit Euros, so man welche hat, oder mit Kreditkarte.
Gerne möchten wir eine dänische Telefonkarte mit großem Datenvolumen erwerben, Frau Cornelia hat sich da im Vorfeld kundig gemacht. Unsere „GigaCube-Maschine“ nämlich, ist hier völlig wertlos. Und wir wollen doch unsere Verbindung zur Welt aufrechterhalten. Wir haben noch einen alten Vodafone-USB-Stick. Dort hinein soll die zu erwerbende SIM-Karte und unser Schiff mit Internet und Mail versorgen.
Leider keine Möglichkeit in Bagenkop, erklärt uns die Verkäuferin beim Krämer, da müssten wir doch bitte eine größere Stadt aufsuchen.
Bagenkop mit noch geschlossener Bäckerei
Der Hafen ist nicht nur nett, er macht einen aufgeräumten, äußerst sauberen Eindruck. Es werden Grillhütten vorgehalten, es gibt Duschen und WC-Anlagen, Waschmaschinen und Trockner. All das wird von Frau Cornelia positiv vermerkt. Dafür bezahlt man inklusive Wifi und beliebig viel Strom 180 Kreuzer, wie Sohn Philip als Kind immer sagte. Das entspricht € 24,31.
22.06.2017, Donnerstag
Ok, wir fahren in eine größere Stadt, unsere Wahl fällt auf Nakskow am Ende des gleichnamigen Fjords auf Lolland. Brötchen hätten wir noch gern geholt in Bagenkop, leider stehen wir vor verschlossenen Bäckereitüren. Die Saison ist wohl noch zu jung. So gibt es gewohntes und bewährtes Frühstück aus der Bordbäckerei. Die Windvorhersage lautet 2 – 3 Bft aus Südwest. Wir laufen unter Maschine auf unserer vorab geplanten Route, im Langelandsbelt frischt es unerwartet auf sechs Bft auf. Deutlich vor Ansteuerung des Nakskowfjords ist es acht und damit zu viel für uns alten Leute.
Zum Glück haben wir Landabdeckung, nachdem wir in den Fjord abgebogen sind. Sofort ist der Seegang deutlich erträglicher.
Angekommen im Stadthafen ist die Front durch und es bleiben noch zwölf Knoten Wind stehen. Um viertel vor zwei liegen wir nach 24,6 Meilen mit dem Bug zum Wind an der langen Kade.
Fast allein in Nakskov Stadthafen
Mit Kaffee und Kuchen begehen wir Frau Cornelias Acht-Beaufort-Taufe und werfen einen Blick auf den Wetterbericht und die Vorhersage des DWD: Keine guten Aussichten für uns, morgen nicht und vermutlich übermorgen auch nicht. Zuviel Wind und auch Regen. Der Hafenmeister kommt längs, um bei uns und den zwei weiteren Booten im Hafen zu kassieren. Wir beschließen, gleich für heute und morgen zu bezahlen. Frau Cornelias Kreditkarte wird mit 320 Kreuzern belastet, für meine kenne ich die Geheimzahl nicht, sorry.
Der Hafenmeister ist nett, er zeigt uns auf unsere Frage hin die in den Festmacherpfählen verborgenen Stromanschlüsse und auch den Wasserhahn. Wir glaubten schon, uns voll auf „Power Block“ verlassen zu müssen.
Und Diesel wollen wir noch tanken. Ob es auch Diesel gäbe, hier im Hafen?
„Ja natürlich, gar kein Problem.“ Wann wir denn tanken wollen?
Wir einigen uns auf zehn Uhr am nächsten Morgen. Alle anderen vorgeschlagenen Zeiten sind uns bei weitem zu früh.
Die Unterhaltung wird von beiden Seiten in einem Englisch geführt, das noch Luft nach oben hat. Aber letztlich verstehen wir uns. Ein hilfsbereiter Mann, der Hafenmeister.
Inzwischen ist es rund fünf. Wir machen uns auf, auf einen ersten Erkundungsgang. Das wichtigste Ziel ist eine Handlung für Telefonkarten. Solche Dinge seien hier durchaus im Lebensmittelhandel verfügbar, höre ich wieder von Frau Cornelia. Unser Weg führt uns durch ein, zwei schmale Gassen mit windschiefer alter Bebauung, Richtung Zentrum, es sind nur wenige Schritte. Mir kommt das entgegen. Wir landen auf dem kopfsteingepflasterten Marktplatz und wenden uns nach rechts.
Unser Weg zum Zentrum
Das Zentrum ist recht groß für die Einwohnerzahl von etwa 12.000 Menschen. Es gibt viele Geschäfte – und enorm viele Leerstände. Mehr noch als bei uns in der Heimat. Unweit der Haupteinkaufsstraße finden wir den ersten Markt. Beim Durchstreifen fällt mir auf, dass es unordentlich ist, alles sieht irgendwie zerwühlt aus. Wir legen einige Kleinigkeiten in unseren Korb. Was wir nicht finden, ist ein Handelsplatz für SIM-Karten. Wir zahlen unsere drei Artikel mit barem Geld, einen Geldautomaten gibt es hier in Nakskow – und nicht nur einen. Da haben wir uns auf dem Hinweg schon bedient.
Nicht weit laufen, der nächste Markt taucht auf. Er ist groß, größer als der erste und hat eine durchaus gediegene Anmutung. Schon auf den ersten Blick aufgeräumter. Sofort landen wir an einer kombinierten Post- Kuchen- Tabak- Arznei- und Sonstwastheke. Inmitten des Angebotes entdeckt Frau Cornelia einen Ständer mit den gewünschten Produkten. Wir schauen uns das an. Eine spezielle Datenkarte finden wir nicht. Bald schon schenkt man uns Beachtung von Seiten des Verkaufspersonals.
Was wir denn suchten? Nein eine reine Datenkarte habe man nicht im Vorrat. Da sollten wir doch ein noch weiter spezialisiertes Geschäft aufsuchen. Im Zentrum sei ein Elektronikhändler ansässig.
Eine der typisch netten Nebenstrassen in Nakskov
Ja, den sahen wir schon. War aber zu.
Sie habe aber, wenn wir mal schauen wollten, eine SIM-Karte und dazu ein Telefon- und Datenpaket, wir müssten es dann nur freischalten lassen. 10 Stunden könnten wir telefonieren und das Datenvolumen betrüge 30 Gigabyte für insgesamt 149 Kreuzer, vielleicht sei das ja was für uns.
Tja, mit der Telefonzeit können wir nichts anfangen, aber 30 Gigabyte Daten, ratter, ratter, das ist ja mehr als sensationell für das Geld. Für den, der in der Mathematik nicht ganz so zuhause ist, wir reden hier über recht genau 20 Euro. Legitimation, Personalausweis – nicht nötig.
Wir greifen zu, ängstigen uns nur vor dem telefonischen Freischalten des Pakets. Aber irgendwie wird es schon.
Mit unserer Beute geht es zurück zu unserem schwimmenden Wohnhaus. An einem Imbiss kommen wir vorbei. Er liegt am Hafenende.
Nicht kochen heute Abend! Wir holen uns was, nachher. So wird’s gemacht.
Kind Annika ruft an aus Hamburg. Will sich einfach mal melden. In Hamburg ist „Land unter“, erzählt sie. Völliges Chaos in der ganzen Stadt. Es hat geschüttet wie selten. Hagel gab es, Pflaumengroß. Da haben wir noch Glück gehabt mit unseren paar Windstärken. Und hier ist auch niemand bei der Straßenüberquerung im Gulli versunken.
Wir warten lange, in dem Imbissparadies, einen halben Hahn für mich und einen Cheeseburger für Frau Cornelia haben wir bestellt, jeweils mit Pommes Frites. Dann schleppen wir eine Riesentüte zum Schiff. Inhalt unter anderem: Die beiden größten Pommes-Frites-Portionen, die wir je gesehen haben, Gurkensalat, verschiedene Saucen und so dies und das. Alles zu einem sehr vertretbaren Preis. Und schmecken tut es auch. Was für ein Tag. Wind, Regen, ein neuer Ort und ein anständig ungesundes Essen. Will man mehr?
„Ja will man, ordentliches Wetter wäre auch nicht schlecht“, lässt Frau Cornelia sich ein.
23. - 26.06.2017, Hafentage
Um kurz vor zehn motoren wir zur Tankstelle, der Hafenmeister steht mit einem Kollegen bereit.
Frau Cornelia hatte noch eine hervorragende Idee, gestern Abend:
„Wir bitten den Hafenmeister, uns die Karte freischalten zu lassen, der wird das können, er ist jung und er spricht Dänisch.“
„Gute Idee.“
Sechsundachtzig Liter Diesel, für die Maschine und „Power Block“ ist das nicht viel, allerdings zu einem unglaublichen Preis von rund zwei Euro pro Liter, fließen in unsere Tanks. Und der Hafenmeister hilft gern, nach knappen fünf Minuten ist die SIM-Karte freigeschaltet und das stattliche Telefonie- und Datenvolumen ist aufgeladen.
„You are the greatest“, ist unsere dankbare Reaktion und: „Mange Tak.“
Hier residiert der Hafenmeister
Jetzt muss das Ding nur noch in den alten Vodafone USB-Stick und dann der Stick in den Router, dann haben wir Internet für alle. Der Versuch misslingt. Trotz der Zuhause vom Vodfonemann empfohlenen Zusatzsoftware. Keine Chance. Ich schaff’ das nicht.
Der Marktplatz vor dem nächsten Regenguss
Wir wollen sowieso in die Stadt und erinnern uns an den Elektronikladen. Da mal hin, vielleicht haben die einen neuen Stick für uns.
Man ist freundlich und man spricht Deutsch. Ich packe die mitgebrachten Unterlagen aus, Bedienungsanweisung für den Router und was ich sonst noch so habe.
Ja, uns könne geholfen werden, ein neuer Stick, kein Problem.
Für knappe fünfzig Euro erstehen wir das Gerät und setzen froh unseren Stadtbummel fort. Wie wir gestern schon feststellten, riesig ist das Zentrum, aber gemütlich ist es auch. Wir ziehen größere Kreise und sind verblüfft über die Menge der Einkaufsmärkte, alle in Zentrumsnähe. Es gibt nicht nur die beiden gestern schon gesehenen, sondern etliche weitere.
Heute weiß ich: Bei Flaggen ist das Auge der Flaggenleine immer oben. Immer! Darum werde ich nie wieder eine Flagge falsch herum setzen.
Wir werden an Bord gebeten und setzen uns zu den beiden in die Plicht. Nein, erst stellen wir uns vor: Clariet, Cornelia, Peter, Onno. Es werden Sitzkissen angeboten. Wir schauen gemeinsam nach Wellen, Wind und Gischt, Frau Cornelia bekommt eine dicke Daunenjacke umgelegt. Wir plaudern über alles mögliche und schnell sind zwei Stunden vergangen.
Dann noch ein umfangreicher Blick in das historisch anmutende Schiff und wir sprechen eine Einladung auf die Kohinoor für den späteren Abend aus. Neben dem großen Salon hat mich besonders ein echter Kohleofen im Vorschiff der „Sabijn“ beeindruckt. Die beiden haben einen Hund an Bord, nicht mehr ganz jung. Ich war immer der Meinung, dass es Tierquälerei sei, einen Hund oder ähnliches Getier an Bord zu zwingen. Onno sagt dazu, der Hund würde viel mehr leiden, wenn er zu Hause bleiben müsste, sie hätten das schon mal versucht. Das gibt mir zu denken und vielleicht sogar revidiere ich meine Meinung. Auf genügend großen Schiffen zumindest mag es gehen.
Es wird ein kurzweiliger Abend mit den beiden auf unserem Schiff, sie haben einen feinen Humor und wir verstehen uns. Ein gemeinsames Ziel für die nächsten Tage ist Kopenhagen. Vielleicht sieht man sich ja.
Wie es scheint, besteht Bedarf an individuell gefertigten Bürsten auf der Insel
Ein neuer Tag, ein sehr spätes Frühstück und eine Radtour über die Insel. Der Wind, sagen wir ruhig Starkwind, steht noch immer von Osten. Wir können die eigenen Räder schonen, der Hafen hält für seine Gäste Fahrräder vor. Man kann sie einfach nehmen und wird lediglich gebeten, sie wieder am Hafenbüro abzustellen. Keine Formalitäten, keine Kaution, nichts. Ich find das toll. Wir radeln so vor uns hin, machen zuerst das, was wir gestern zu Fuß erwandert haben und gehen dann auf Inselexkursion.
Ins Auge fallen immer wieder Verkaufsstände für allerlei, meist Obst oder Gemüse. Es handelt sich um Bretter auf einigen Steinen gelagert, oder auch mal um eine Schubkarre oder um ein an eine Mauer geschraubtes Regal. Darin, darauf gelagert, findet der Kaufinteressierte das meist überschaubare Warenangebot. Dazu kommen noch entsprechende Preisschilder und eine Dose oder ein Glas für das Geld, das man gebeten wird, zu bezahlen. Fertig ist die Verkaufstelle. Ich wette, dass es in diesen Geschäften nur wenig unbezahlte Einkäufe gibt.
Die Insel ist wahrlich nicht groß, wir erradeln sie trotzdem nicht in Gänze. Der Wind schneidet und irgendwann werden aus den geteerten Wegen Schotterpisten. Ich habe Angst vor einem Reifenplatzer, verursacht durch einen spitzen Stein. Das Argument überzeugt Frau Cornelia und es geht zurück ins Dorf. Hier besuchen wir den Lebensmittelhändler und kaufen in seinem winzigen, aber trotzdem ordentlich mit Allerlei gefülltem Laden ein wenig Lachs fürs Abendessen und andere Kleinigkeiten.
Lachs und Kleinigkeiten landen im Fahrradkorb, ja auch den gibt es auf einem der Leihräder.
Am späten Nachmittag sitzen wir im Salon der „Sabijn“ bei Clariet und Onno. Frau Cornelia und die beiden genehmigen sich ein wenig Wein und Bier. Ich falle mit meinem Wunsch nach Limonade und der Erklärung, ich sei anonymer Alkoholiker, ich tränke Alkohol nur am späten Abend und selten in Gesellschaft, auf.
Wir sprechen auch über unsere morgigen Ziele, morgen soll es erträglich sein mit dem Wetter. Und vielleicht treffen wir uns ja in Kopenhagen.
„Angenehme Menschen“, sagt Frau Cornelia später zu mir.
„Jo“, gebe ich zurück.
Die Hafeneinfahrt bei seltener Abendsonne
Tatsächlich, der Wind hat gedreht und mächtig nachgelassen am nächsten Morgen. Ich merke das direkt nach dem Aufstehen, der Salon steht völlig unter Wasser. Ich hatte das Schiebeluk offengelassen über Nacht. Es schüttet wie aus Kübeln von Süden und unser Bug zeigt nach Norden, das ist wirklich dumm gelaufen. Es gibt nur eine Möglichkeit – Luk zu und ran an den Aufnehmer. Für uns ist sehr schnell klar: wir fahren hier heute nicht weg, das tun wir uns nicht an. Wenige andere laufen aus, im Laufe des Vormittags, meist haben sie geschlossene Steuerhäuser. Wir aber bewegen uns nicht und auch die Holländer machen keine Anstalten die Leinen zu lösen.
So sitzen wir in unserem Kellerloch und nichts passiert. Luft kommt kaum herein, das Luk ist ja nun zu. Es ist ätzend. Irgendwann macht der Regen Pause. Es nieselt nur.
Inselausflug in einer windigen Regenpause
Jetzt aber kurz raus. Schiff umdrehen. Es wird eine kleine Hafenrundfahrt. Insgesamt sicher 50 Meter. Dann liegen wir vor der „Sabijn“ mit dem Bug zum Wind. Jetzt kann wenigstens das Schiebeluk auf. Zusätzlich säuselt die Heizung leise und macht es erträglich.
Am Abend nehmen wir uns mit Clariet und Onno noch einen Kleinen. Onno muss sich sein Bier immer mitbringen, es tut uns leid, wir haben keines an Bord. Und dann, nicht zu spät, verabschieden wir uns bis auf irgendwann.
01.07.2017, Samstag
Endlich weiter. Wir winken noch zu den Holländern rüber, wir sind etwas eher als sie und starten rund 10:00 Uhr. Der Wind ist um drei bis Anfang fünf Bft. Aus NNW, das ist gewaltig wenig im Vergleich mit den vorherigen Tagen. Vor der ersten der beiden zu passierenden Brücken, der bei Vordingborg, geraten wir in ein dickes Seegrasfeld. Die Logge steht sofort, der Motor bricht in der Drehzahl völlig ein, erholt sich nach wenigen Augenblicken und geht auf 1.800 Umdrehungen, das sind 200 weniger als vor der Grasberührung. Mir ist nicht ganz wohl in dem Moment, etliche Momente danach immer noch nicht wieder.
Nach der Brücke lasse ich die Maschine eine Weile rückwärts laufen. Dann geht es wieder. Puh, Schwein gehabt. Natürlich regnet es seit einer ordentlichen Weile wieder. Sonst ist nichts zu berichten. In Stubbeköbing verlasse ich, glaube ich, nicht mal das Schiff. Die Frau Cornelia geht zum elektrischen Hafenmeister und gibt unseren Obolus in Höhe von 180 Kreuzern ab. Strom gibt es dafür auch.
02.07.2017, Sonntag
Nix wie weiter. Morgen, eigentlich schon heute gegen Abend, soll es wieder Schietwetter geben. Die Laune ist derzeit nicht die Beste. Wann eigentlich hatten wir zuletzt ordentliches Wetter? Wann konnten wir gemütlich in der Plicht sitzen?
Längsseits in Klintholm
Bei 5 – 6 Bft und Regen laufen wir in Klintholm ein, im Hafen werden es sechs Windstärken. Wir finden einen gar nicht so schlechten Platz längs am Steg, leider steht der Wind auflandig und soll durchaus stärker werden. Alle Fender zwischen Boot und Steg gebracht schützen uns ausreichend, sicher auch bei sieben oder acht.
Der Yachthafen ist ordentlich, eigentlich sogar ansprechend angelegt, kein moderner Bootsabstellplatz, sondern in verschiedene kleinere Becken unterteilt. Etliche Ferienhäuser, die sich direkt anschließen beleidigen das Auge nicht. Der Ort ist klein, bietet einige Restaurants und sogar einen kleinen Markt, der alles hat, was man braucht, sogar Gas wird bevorratet. Wir tauschen unsere leere Flasche in einer Regenpause.
Später am Nachmittag lege ich mich ein wenig auf die Saloncouch und schlummere so vor mich hin. Genau so lange, bis es einen kräftigen dumpfen Knall gibt, verbunden mit einem derbem Schlag im Schiff. Eine englische Chartercrew geht längsseits bei uns ins Päckchen, leider so unsanft, dass ich glaubte, wir seien versenkt worden. Zum Glück, wie sich herausstellte, gab es keine Beschädigungen.
Es schüttet nahezu ohne Pause
Frau Cornelia eilte nach draußen, um zu helfen. Die Leinen waren noch nicht sicher fest, da wurde sie schon in ein Gespräch über das Woher und Wohin verwickelt. Sie hat das nicht verstanden, ist sie doch der Meinung, dass erst das Schiff vernünftig versorgt wird, danach dann kann man Smalltalk machen – wenn man möchte.
Der Wind frischt weiter auf, bald ist es kontinuierlich sieben. Es heult und pfeift ohne Unterlass. Zunehmend geht uns das Wetter an die Nieren. Das Boot mit der zusätzlichen Last der Engländer drückt auf den Steg, die Fender halten.
03.07.2017, Hafentag
Am Morgen flaut es etwas ab, die Engländer wollen weiter, sie haben nur eine Woche. Eigentlich ist es eine nette Truppe, aber mehr als drei auf einem Boot? In Ihrem Fall sind es sechs – auf gut zehn Metern. Der Regen bleibt während des ganzen Tages. Wir kaufen ein wenig ein. Irgendwas müssen wir ja tun.
Den Liegeplatz in Klintholm bekommt man für 170 Kreuzer, Strom ist schon drin.
04.07.2017, Dienstag
Es soll besser werden im Laufe des Tages, schon jetzt ist es regenfrei, der Wind ist noch steif. Bei fünf Bft auf der Seite müssen wir weg vom Steg, vorn und hinten sind wir dicht eingeparkt, nach vorn haben wir runde 50 cm bis zum Außenborder des Vorderliegers, hinten ist es etwas mehr. Der Nachbar von hinten steht mit einem Fender bereit. Zum Glück geht es ohne und wir können los. Ein: „Gute Reise“ vom Exnachbarn weht uns noch zu.
Wir runden das östliche Kap von Mön, sehen die ersten anhaltenden Sonnenstrahlen seit, ja, seit wann eigentlich? – und bewundern die imposanten Kreidefelsen der rund 130 Meter hohen Steilküste.
Insgesamt machen wir gut 24 Meilen und sind, nachdem wir um halb zwölf aufgebrochen sind, um etwa 16:00 Uhr in Rödvig auf Seeland am Steg.
25 Meter Luftline entfernt liegen gegenüber die „Sabijn“ und man glaubt es nicht, die „Archimede“ aus Frankreich.
Die Archimede aus Frankreich
Die Sonne scheint. War ein schöner halber Segeltag. Onno steht an Deck und winkt uns zu. Wir verabreden uns für den Abend auf ein Gläschen. Zum Kaffee und Frau Cornelias Kuchen wollen sie nicht kommen, sie müssen einkaufen und schieben tatsächlich in den nächsten Stunden mehrere Einkaufswagen, alle gut gefüllt, zum Schiff. Später erfahren wir, dass es sich überwiegend um eine Ergänzung der zur Neige gegangenen Biervorräte gehandelt hat.
Der automatische Hafenmeister teilt auf Befragen mit, dass die Übernachtung in Rödvig mit 190 Kreuzern zu Buche schlägt. Wir besichtigen die nähere Hafenumgebung, Essen gibt es außerhalb, zum ersten mal in Dänemark. Danach werden die Betten neu bezogen. Was die Notwendigkeit dieser Aktion angeht, sind die Meinungen konträr, die meine zählt hier keineswegs.
Also, Frau Cornelia bezieht die Betten. Danach gehen wir rüber zu Clariet und Onno. Unterwegs treffen wir die Besatzung der „Archimede“:
„Hallo und wie war die Reise? Schön euch wiederzusehen. Kommt doch auf ein Bier auf die Archimede.“
Wir danken bedauernd. Nicht ausschließlich wegen des Nichtrauchens. Hauptsächlich wegen der Verabredung auf der „Sabijn“. Am Ende des Abends verabreden wir uns mit den beiden Holländern für den nächsten Abend im letzten Hafen vor unserem endlich näherrückenden Etappenziel Kopenhagen zum Fischessen.
05.07.2017, Mittwoch
Der Wechselrichter will nicht. Starten, kurze Zeit später abkacken. Immer wieder, wieder und wieder. Irgendwann ist er dann doch stabil. Ohne Wechselrichter kein laufender Schiffs-PC, ohne Schiffs-PC keine Navigation mit dem Fugawi sondern nur mit dem doofen Kartenplotter. Und ohne Wechselrichter auch kein Senseo-Kaffee unterwegs. Also muss der Wechselrichter laufen. Jetzt läuft er, jetzt können wir starten und machen die Leinen los.
Es ist kurz nach zehn. Die „Sabijn“ ist schon los, kurz vor uns weggegangen mit Ziel Dragör, auch die „Archimede“ ist weg. Sie will nach Enkhuisen in den Niederlanden und dort überwintern.
Kurz nach der Hafeneinfahrt kommt uns die „Sabijn“ entgegen. Wir drehen fix um und laufen längsseits mit. Ihre Großsegelwinsch hat plötzlich aufgegeben. Die Hauptwelle ist gebrochen.
Ob wir helfen können?
Nein danke. Sie gehen zurück in den Hafen und dort zur Werft.
Schade, dann werden wir nicht zusammen essen. Viel Glück und auf ein andermal. Damit drehen wir wieder auf unseren Kurs in Richtung Dragör. Und dann ist er wieder aus, der Wechselrichter. Zum ersten mal, nachdem er vorher anständig lief. Frau Cornelia muss ans Ruder. Ich starte neu. Zwei Mal. Jetzt läuft er.
„So geht das nicht mehr. Da müssen wir was machen. Ich ruf da mal an. Beim Lieferanten von dem Ding. Es muss doch eine Lösung geben“, sage ich zu Frau Cornelia und: „Du musst noch eine Weile steuern, geht das?“
Es geht, natürlich.
Man kann tatsächlich anrufen bei solch Internetlieferanten. Ohne langes Warten hab ich jemanden, der sich für zuständig erklärt. Vielleicht gut, dass ich meine negative Bewertung doch noch nicht abgegeben habe.
Kohinoor am Wind
Wir kommen wie folgt überein: Ich bestelle das gleiche Gerät neu. Bezahl es natürlich auch sofort. Sie liefern noch heute an Daggi und Harald, die uns Ende der Woche auf ihrer Reise nach Schweden kurz besuchen kommen werden. Das defekte Gerät kann ich nach Urlaubsende zurückgeben und bekomme den Wert dann rücküberwiesen.
Das ist vielleicht nicht die allerkulanteste Lösung, aber doch eine, die uns am besten hilft. Also alles gut soweit. Ich übernehme das Ruder wieder. Wir setzen Segel und haben bei der einzigen für uns akzeptablen Windstärke von drei Bft einen schönen Segeltag mit fünf bis sechs Knoten Tempo.
In Dragör ist Waschtag. Bettwäsche und dies und das landen in der Maschine. Der übergroße Trockner begeistert Frau Cornelia:
„Besser als zuhause.“
Waschen und Trocknen sind im Hafengeld von 170 Kreuzern nicht enthalten. Ebenso wenig der Strom. Gelandet sind wir in der durchaus hässlichen und versandeten Marina von Dragör, im alten Hafen war kein einziger freier Liegeplatz im Vorrat.
Morgen wollen wir früh los, Liegeplätze seien in Kopenhagen schwer zu haben, heißt es, da rächt sich zu spätes Ankommen. Unser Plan ist, um elf Uhr in der Stadt zu sein. Zu bewältigen haben wir bis dahin nur knappe 10 Meilen. Die Stromversorgung übernimmt für heute Abend unser „Power Block“.
06.07.2017, Donnerstag
Um kurz vor neun laufen wir in den Fischereihafen, um zu tanken, ungefrühstückt. Kaffee gab es wohl. Die Senseo tut ihren Dienst. Der Wechselrichter arbeitet seit den Eskapaden gestern einwandfrei. Wir sind die ersten an der Kreditkartendieselsäule und kommen um 09:20 Uhr los. Auf unserem Weg liegt die Einflugschneise des Kopenhagener Flughafens. Im Minutentakt fliegen die Maschinen über unseren Köpfen ein.
Ein Bootskollege im Außenhafen
Um fünf vor elf liegen wir vor der Brücke zum „Christianshavn“. Ausgesucht haben wir ihn, weil er mitten in der Stadt liegt. Mitten im Leben. In Wahrheit ist es kein echter Hafen, in den wir einlaufen, sondern ein Kanal. Links und rechts Liegeplätze. Teilweise Boxen mit Heckpfählen, teilweise Längsseitsplätze. An diesen wird fast ausschließlich im Päckchen gelegen.
Der Hafen ist voll. Es ist höllisch viel Verkehr. Ständig laufen Rundfahrtboote durch. Begegnen kann man sich eigentlich nicht. Dazu ist es zu eng. Immer wenn ein Sightseeingboot kommt, müssen wir uns in eine Lücke drängen. Sonst kämen sie nicht durch mit ihrer Touristenfracht. Wir finden zwei freie Boxen. Eine davon wählen wir für uns aus.
Sofort werden wir von einer ganz lieben Hafenmeisterin empfangen. Wir machen ohne Probleme fest, bekommen von der freundlichen Dame wichtige Informationen über die Stadt und zahlen für ersteinmal zwei Tage 300 Kreuzer. Das ist günstig. Strom gibt es, der ist im Preis enthalten, Wasser gibt es nicht, eine Müllentsorgung ist auch nicht vorgesehen. Aber wir werden zurechtkommen, in unseren Tanks lagert reichlich Wasser. Und Duschräume, die es auch nicht gibt, brauchen wir ohnehin nicht
Liegeplätze im Christianshavn
Nach wenigen Minuten kommt die Hafenmeisterin noch mal längs und bringt einen Stadtplan. Das ist schon mehr als nett. Wir brauchen ihn auch. Wir sind völlige Novizen hier. Meine Kopenhagenerinnerung liegt wohl 25 Jahre zurück und beschränkt sich auf das Umsteigen von einem in ein anderes Flugzeug auf dem hiesigen Flughafen Kastrup.
Frau Cornelia drängt verhalten. Ja, wir wollen los. Erst mal nur so. Ohne Plan. Ohne Plan ist gut, ich weiß das.
Wir marschieren an unserem Kanal entlang Richtung der Brücke, unter der wir vorhin durchfuhren. Landen tun wir nach wenigen Metern im Stadtteil Nyhavn, wiederum an einem Kanal. Hier tobt das Leben. Touristen drängen sich die Straße entlang, die vielen Restaurants reihen sich zu einer einzigen großen Außengastronomie unter weißen Sonnenschirmen aneinander. Ein junger Mann spielt Blues auf der Gitarre und singt, beides kann er hervorragend. Einige unserer Kreuzer landen in seinem Hut. Weiter zu einem großen Platz, dem Kongens Nytor. Hier wird aktuell Straßenbau betrieben. Vom Platz ist nichts zu sehen außer einer riesigen Baustelle. Männer bringen mit schwerem Gerät Asphalt auf die Straße auf, Männer verlegen kindskopfgroße Basaltpflastersteine im Sandbett, Männer bewegen Schotter und Sand mit dröhnenden Baggern. Die Luft ist voller Teergeruch und laut. Beeindruckende Architektur rahmt die Baustelle ein.
Parkanlagen bei Schloß Amalienborg
„Moment“, lässt sich Frau Cornelia nach einem Blick auf den Stadtplan der Hafenmeisterin ein, „da schau, da ist doch dies Amalienborg, wohnt da nicht die, wie heißt sie noch. Ich glaube, sie raucht Kette. Die Königin eben.“
Ich lasse das unkommentiert. Klar ist allerdings: Wir haben ein Ziel.
Schloß Amalienborg (Wohnhaus von Margrethe
Vorbei am Museumshafen, Liegeplatz für vorwiegend Traditionssegler, derzeit wenig gefüllt, geht es zum Schloss, der Residenz von Margrethe II. Die um den achteckigen Platz drapierten barocken Gebäude sind nahezu baugleich und für den Architekturinteressierten gut anzusehen.
Margrethe ist leider nicht zuhause, das wird der Grund dafür sein, dass wir nicht hereingebeten werden. Wir laufen einen Bogen schlagend weiter, wieder Richtung Kanal mit dem vielem Leben. Unter einem der unendlich vielen Schirme nehmen wir Kaffee und Wasser. Danach für das Abendprogramm zurück zum Schiff.
07.07.2017, Freitag (Hafentag)
Wir sind sehr spät mit dem Frühstück durch.
„Sag mal“, frage ich, „wie ist es denn mit dem Knie? Was machen die Schmerzen? Wie verträgst du die Fahrerei und das Rumturnen auf dem Schiff?“
„Gut, eigentlich sehr gut“, kommt es zurück. „Im Grunde ist kaum was zu spüren, vielleicht achte ich zu sehr drauf, darum denke ich manchmal schon, das es ein klein wenig schmerzt. Kann aber sein, dass ich mir das eben nur einbilde. Nein gut, wirklich gut.“
„Ja super, das ist ja Klasse. Das freut mich wirklich. Sag mal, dann können wir doch das blaue Gummiband vom Mast nehmen. Oder? Was meinst du?“
„Mann, jetzt ist mir klar, warum du so fürsorglich bist. Ja, ich nehm’s ab.“
Zur Erklärung: Seit gut zwei Wochen fahren wir mit einem überdimensionalen Gummibad durch die Gegend. Es ist im Salon um den Mast geknotet und ziert ihn nicht wirklich. Eigentlich stört mich das Ding. Aber ich hab es akzeptiert. Denn der Grund für den Anbau war sehr einleuchtend und aus Therapiegründen angezeigt.
„Ich brauche das täglich“, hatte es beim Anbau durch Frau Cornelia geheißen. Sie müsse jetzt täglich zweimal ihr Knie trainieren um zusätzliche Muskeln aufzubauen, so hätte sie es mit ihrer Krankengymnastin besprochen. Dann wäre es eher möglich, eine Operation dauerhaft zu vermeiden.
Unser blaues Band
Ich erzähl es nicht gern, dieses Training hat genau einmal stattgefunden. Und deshalb, vielleicht bin ich kleinlich, denke ich, dass es an der Zeit ist, dieses blaue Band zu entfernen.
Wir sind durch mit dem Thema, warten wir mal, was passiert. Der zweite Landgang steht an, ist quasi befohlen. Ich frage, wie die Pläne seien?
Zuerst in die Freistadt Christiana, ist die Antwort. Ok, das ist nicht weit, kann man machen.
Freetown Christiania
Uns erwarten die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, damals war der Freistaat auch bei uns viel besprochenes Thema. Hier in Christiana, das ist mein Eindruck, scheint die Uhr vor runden vierzig Jahren stehengeblieben.
Wir wandern durch den Ort, ich finde es durchweg unordentlich und schmuddelig dort. Als besonders verblüffend empfinde ich den an den Tag gelegten Geschäftssinn der Menschen hier. Es wird den reichlich durch den Ort strömenden Touristen unglaublicher Tand angeboten, wenig, was ich mit den vermeintlichen Idealen der Bewohner in Einklang bringen kann.
Nun gut, wir müssen das nicht kaufen. Lassen wir das letzte Jahrhundert hinter uns, wenden wir uns dem Heute zu. Auf also in die Haupteinkaufsstraßen der Stadt, lautet die Anweisung.
Ein für mich ordentlicher Marsch steht an, aber ich halte bis in die gewaltige Fußgängerzone durch.
Wir werden nett empfangen, auf dem Platz, über den wir in das Einkaufsviertel kommen, spielt eine Jazzband Musik von Armstrong & Co. Wir verweilen und hören gern zu. Heute beginnen, lernen wir nebenbei, die diesjährigen Jazztage mit unendlich vielen Bands an den verschiedensten Orten in der Stadt.
Kopenhagen Einkaufsmeile
Es ist unglaublich voll auf der Einkaufsmeile, Menschenmassen schieben sich durch die Straßen, neben allem, was das Herz an Kleidung, Schmuck und Sonstigem begehrt, kann man hier und da auch Kleinkunstdarbietungen genießen. Irgendwann machen wir Pause. Die Füße brauchen Ruhe.
Pause!
Ebenso der Kopf. Zuviele Menschen, die ohne erkennbare Ordnung unbekannten Zielen entgegenstreben.
Und dann machen wir was wirklich Irres, eine Kanal- und Hafenrundfahrt. Sie wird an verschiedenen Abgangsorten angeboten, wir stellen Preise von 80 Kreuzern, aber auch von 40 für die vermeintlich gleiche Leistung fest und entscheiden uns für das Angebot zu 40 Kreuzern für eine Stunde Rundfahrt.
Es ist ok, aber nicht wirklich dolle, früher in Amsterdam habe ich solche Ausflüge mehr genossen. Vielleicht lag es auch am Führer, der, wie er mir erzählte, den Job erst am dritten Tag machte. Er war bemüht, musste seine Texte allerdings vom Blatt ablesen, in Dänisch, Englisch und Deutsch. Darunter kann die Atmosphäre schon mal leiden.
Ich bin sicher, in einigen Wochen wird er es besser draufhaben. Ich wünsche ihm das Beste – war ein netter Kerl. Kurz vor Ende unserer Tour wurden wir für unseren Mut belohnt – mit einem kräftigen Regenschauer im offenen Rundfahrtboot.
Am Abend gehen wir aus. Ein schönes Restaurantessen wollen wir uns gönnen. Wir durchstreifen unser Quartier, finden nichts außer einem Außer-Haus-Pizzabäcker.
Sollten wir uns vielleicht doch was holen und auf dem Schiff essen? Nein, sollten wir nicht. Es ist aber nichts zu finden. Ich weiß aus dem Studium der Internetunterlagen: Es gibt ganz in der Nähe einen alten Papierumschlagplatz, eine riesige Halle. Heute sollen dort fast vierzig Lokale unter-gebracht sein. Da muss ja was dabei sein. Die einzuschlagende Route kenne ich vage. Also machen wir uns auf den Weg dorthin.
Knappe zehn Minuten brauchen wir und stellen fest: Nicht nur wir haben die Idee gehabt, rund die Hälfte aller Einwohner der Stadt, insgesamt sind das deutlich 600.000 und vermutlich eine gute Anzahl an Touristen, hat genau unsere Pläne kopiert.
Ein Strom von Menschen wälzt sich auf das Gelände. Es ist kaum ein Durchkommen. Überall Menschen, sitzend, stehend, teils auch liegend, schon vor den Hallen. Wir werfen einen Blick hinein. Nein, da wollen wir nicht mitspielen. Auch drinnen großes Gedränge. Zudem scheinen wir trotz der Masse an Leuten den Altersdurchschnitt deutlich nach oben zu korrigieren. Das hier ist weit weg von unserer Welt. Da sind wir einig.
Unsere Entscheidung ob der widrigen Umstände: Wir holen uns eine Pizza bei dem Italiener, den wir vorhin sahen. So wird’s gemacht. Also zurück.
Und den Gang buchen wir als interessanten und umfangreichen Abendspaziergang. Die Pizzen sind ordentlich, die Leute waren freundlich und bemühten sich sogar, Deutsch zu sprechen und wir haben es gemütlich ruhig in unserem Kellerloch.
Also: ein gelungener Abend.
08.07.2017, Samstag (Hafentag)
Aufwachen, Kaffee kochen. Die erste Tasse, meist allein im Salon, ist ganz was Besonderes.
Heute nix Kaffee kochen. Kein Strom im Schiff. Komisch. Dann mach ich eben den Konverter an. Es wird wohl die Sicherung am Steg rausgeflogen sein. Unser Nachbar hängt auch mit an unserem Kabel, weil das seinige zu kurz ist. Der Wechselrichter läuft sofort! Man muss auch Glück haben.
Irgendwann später ist dann Frühstück. Wir strecken es enorm, denn es regnet in Strömen.
Zwischendurch lauf ich nach der Sicherung gucken und stelle fest, dass irgendein freundlicher Zeitgenosse sich den Spaß gemacht hat, den Landstromstecker aus der Dose zu ziehen. Also, alles bestens, der Schaden lässt sich mit einem Handgriff beheben. Unsere Hafenmeisterin allerdings, sie kommt dazu während ich den Stecker wieder einstecke, findet das überhaupt nicht witzig.
Kunst? Kunst! Von Ai Weiwei! Schwimmwesten in Fensternischen.
Immer wieder würde sowas passieren und es sei doch auch gefährlich. Vor einigen Wochen hätte sie Gäste aus Schweden im Hafen gehabt. Die Frau habe ein Atemgerät benötigt. Und auch da sei der Stecker in der Nacht gezogen worden. Zum Glück habe der Mann den Stromausfall sehr schnell bemerkt.
Wir beschließen, dass, solange es regnet, „freies Spielen“ angesagt ist und wir danach ein wenig bummeln gehen und einige Lebensmittel einkaufen.
Von Herrn Maersk (Reeder) gespendete Oper
Ich hoffe, es regnet noch lange. Tut es aber nicht. Gegen gut Mittag klart es auf, wir ziehen los. Nach dem Einkaufen laufen wir durch einige noch nicht besuchte Straßen, sitzen bei inzwischen strahlender Sonne, wie es sich für ein älteres Paar gehört auf einer Parkbank, streifen noch einmal Margrethes Wohnsitz und landen am späten Nachmittag wieder auf der Kohinoor. Morgen früh um zehn Uhr soll es durch die Brücke gehen und dann weiter nach Helsingborg, unserer ersten Begegnung mit Schweden.
Nochmal bei der Königsfamilie
Dort werden wir Daggi und Harald treffen, so ist es geplant. Sie bringen ein paar Dinge mit, unter anderem auch den neuen Wechselrichter, er ist pünktlich eingetroffen. Und einen Satz Karten, der mir noch für den Bereich Göteborg fehlt. Clariet schickt eine moderne WhatsApp, sie kämen nun morgen nach Kopenhagen, die Winsch sei repariert, ob wir noch da seien? Schade, da werden wir uns ganz kurz verpassen.
09.07.2017, Sonntag
Ein erster Eindruck von Schweden
Gegen 13:00 Uhr wechsele ich die Gastlandflaggen, die dänische fällt, die schwedische wird unter der Saling gesetzt. Das Wetter ist ordentlich, sogar Sonne. Der Morgen war nicht so witzig. Der Wechselrichter. Er startete, ging auf Störung, lief nach dem dritten Versuch augenscheinlich stabil, ich starte den Rechner. Alles bestens bis kurz nach der Brücke. Bildschirm dunkel. Starten. Störung. Alles schon Routine. Nu läuft er. Bis zum nächsten Absturz. Danach, als er sich dann bequemt, zuverlässig Strom zu liefern, sind alle Routen weg und alle bislang gelaufenen Tracks ebenfalls. Beim Rechnerabsturz vernichtet!
Danke, Herr Wechselrichterlieferant.
Die Route für die heutige Tour ist schnell wieder zusammengestrickt, man könnte gut auch ohne fahren. Während ich mich unten ärgere, führt Frau Cornelia das Steuerrad. Um drei Uhr sind wir im Hafen, Helsingborg ist erreicht, wir sind zum ersten Mal mit dem Schiff in Schweden. Daggi und Harald sind auch schon vor Ort, sie haben vor kurzem die Fähre verlassen und werden nach einigen wichtigen Einkäufen zu uns in den Hafen kommen. In Schweden kann man auch am Sonntag einkaufen. Ich finde das nicht gut.
Die „Sabijn“ von Clariet und Onno in Kopenhagen
Wir finden einen schönen Längsseitsliegeplatz direkt an der Promenade, er hat zwar nur dreiviertel Schiffslänge, aber es passt, es gefällt uns besser als in einer Box zu liegen. Strom gibt es hier augenscheinlich nicht, ist aber egal. Machen wir halt selbst welchen. Es gibt einen schönen Schwedenbegrüßungskaffee mit Plätzchen.
Liegeplatz in Helsingborg
Dann kommen die beiden angeradelt. Sie haben ganz in der Nähe einen Parkplatz für ihr mobiles Heim gefunden. Großes Hallo und schön, dass ihr da seid. Sie haben Kuchen mitgebracht, müssen aber kurz noch mal los. Das Auto umstellen. Die Parkuhr läuft bald ab. Und wir müssen auch noch zahlen beim eisernen Hafenmeister. Was wir auch tun. Exakt 300 Schwedenkronen werden uns berechnet, das sind über den Daumen 30 Euro. Eine einfache Währung. Durch zehn teilen und es passt – zumindest grob.
Wieder zurück wird die Senseo angeschmissen und der Kuchen aus dem Kühlschrank genommen. Gemütlich. Ein Mann tritt zu uns ans Schiff.
Ein kurzer Gang in die Stadt
Ob wir Strom brauchten? Das wäre kein Problem. Und würde nichts kosten. Dort, gleich da vorn, sei sein privater Anschluss, dort könnten wir uns anschließen. Wir brauchen keinen, finden das aber sehr nett und danken herzlich für das Angebot.
Irgendetwas stimmt nicht. Harald ist sauer.
Oh, fragt Daggi, ob er das noch nicht erzählt hätte?
„Was denn?“
Keine fünf Minuten hätten sie die Parkzeit überschritten, keine fünf Minuten, der Kerl sei noch dagewesen, hätte ihnen das Knöllchen persönlich übergeben. Und so gar nicht mit sich reden lassen. Harald sei noch hinterhergegangen, aber nichts, der habe gar nicht reagiert. Harald hätte ihm dann das Knöllchen zu guter Letzt in sein Auto geworfen. Blöder Kerl der. Bisschen kulanter könnte man doch sein.
Ich sage, irgendwo müsse doch die Grenze sein, wann die denn sein solle? Nach fünf Minuten Überschreitung, zehn Minuten oder wann? Für mich sei die vereinbarte Grenze eben das Ende der Parkzeit.
Ich komme damit nicht an, bleibe unverstanden. Die Grundstimmung ist trotzdem gut. Wir freuen uns, uns zu sehen, haben einen schönen Restnachmittag und schließen den Tag mit einer Pizza für jeden, später noch mal mit rotem Wein für Daggi und mich, mit weißem für Conny und mit Cola für Harald.
Dann ist Schluss, wir wollen früh los und durchgehen bis Falkenberg. Das sind rund 60 Meilen und für uns ne ordentliche Strecke, die runde zehn Stunden braucht.
10.07.2017, Montag
Um acht ist für mich aufstehen. Raus aus der Heckkajüte und stutzen. Es stimmt was nicht. Was? Einen Moment zu mir kommen. Aha, das Luk. Das untere Steckluk fehlt. Du hast doch beide reingesteckt gestern Abend. Kann doch nicht. Frau Cornelia schon draußen? Kann auch nicht. Warum liegt mein Portomanie offen auf dem Kartentisch? Wo ist das Tablet? Hab ich doch auf den Salontisch gelegt.
Es dämmert. Hier war Besuch, während wir schliefen. Ungebeten! Weiterschauen.
Erst ins Portemonnaie. Karten alle da. Geld weg. Die Euros. Alle weg. Das Auslandsportemonnaie? Sollte auch auf dem Kartentisch liegen. Tut es nicht. Waren dänische Kreuzer drin. Rund 400. Loses Geld war auf dem Kartentisch. 250 Schwedenkronen. Weg.
Ich glaub es noch nicht. Wecke Frau Cornelia im Vorschiff. Nein, sie war nicht draußen. Nein, sie hat das Portemonnaie nicht im Vorschiff. Das Tablet natürlich auch nicht.
„Oh, scheiße, hier bei uns eingestiegen. Nein, das kann doch nicht wahr sein.“
Ich rufe bei Daggi an. Ob sie sich einen Spaß gemacht haben mit uns. Geht nicht ans Telefon. Beim dritten mal dann doch. Ich habe sie geweckt, Tschuldigung.
„Spaß gemacht, wir uns? Mit Euch? Nein natürlich nicht. Oh, wie schrecklich. Eingebrochen. Wir kommen nachher mal rüber zu euch.“
Also doch. Wir wurden beklaut. Das ist wohl sicher. Während wir schliefen. Dann müssen wir die Polizei haben. Ich geh mal raus. Werde mich bei den Nachbarn informieren, was zu tun ist. Vor uns liegt eine kleine schwedische Yacht. Die Leute sitzen beim Frühstück und scheinen entspannt.
Ich spreche sie an, schildere kurz, was passiert ist. Während ich erzähle, steigt eine Frau, so um die vierzig, vom nächsten Boot, einer schwedischen Bavaria, und kommt auf mich zu.
Ob sie richtig gehört habe? Bei ihnen wurde auch eingebrochen. Heute morgen gegen sechs. Es sei auch gestohlen worden bei ihnen. Einiges. Sie hätten es bemerkt, wären aufgewacht, hätten Krach gemacht und seien den flüchtenden Einbrechern hinterher. Gekriegt aber hätten sie sie nicht. Die Diebe seien zu schnell weggelaufen. Die Polizei sei schon bei ihnen gewesen, wenn ich es wolle, würde sie gern für mich noch mal anrufen, damit auch unser Diebstahl aufgenommen würde.
Oh, ich will natürlich gern. Herzlichen Dank für das Angebot.
Minuten später kommt unsere Nachbarin ans Schiff und erzählt, dass die Polizei komme, aber noch nicht genau wisse, wann.
„Danke, sehr lieb von Ihnen, dass Sie sich gekümmert haben. Dann warten wir ab. Der Tag ist sowieso verdorben.“
Das sieht die Bavariafrau genauso und verspricht, dass sie auf jeden Fall noch bleiben, um eventuell zu helfen, wenn die Polizisten kommen.
Die lassen gar nicht allzulange auf sich warten, es klopft, zwei Uniformierte stehen auf dem Steg, er runde fünfunddreißig und sie deutlich jünger und deutlich blonder, sympathische Erscheinungen beide. Ich bitte sie an Bord. Er nimmt den Fall auf, sie schaut, ob Spuren zu sichern sind und blickt sich im Schiff um, macht ein paar Fotos. Der Besuch dauert nicht allzu lange, wir geben an, was fehlt, die Hoffnung, die man uns macht, was den Wiedererhalt unser Besitztümer angeht, ist eher marginal.
Wenig später komme ich mit dem Mann der Bavariafrau, also dem Bavariamann, ins Gespräch und bitte ihn aufs Boot. Einen Kaffee nimmt er gerne an. Ich frage ihn, warum er so lädiert aussieht, er hat Schürfwunden am Kopf, an beiden Armen, an den Händen am Knie und auch am rechten Oberschenkel.
Ja, sagt er, da sei sein Kopf deutlich schneller gewesen als die Beine, bei der Verfolgung der Diebe sei er recht unglücklich gefallen. Darum die Wunden.
Au weia, der arme Kerl, Etliches wurde ihm geklaut und dann auch noch die ganzen Schmerzen. Kurz später kommt seine Frau hinzu. Sie war in der Apotheke, um lindernde Salben einzukaufen und legt Tuben und eine kleine Alarmanlage auf unseren Plichttisch.
Oh, interessant, sage ich, wo man denn so was kaufen könne?
Nein, ist ihre Antwort, zu kaufen brauchte ich das nicht, sie wolle uns die Alarmanlage schenken. Damit wir nicht zu schlecht über die Schweden dächten und vor allen Dingen, damit so etwas nicht noch mal geschehe.
Wir sind gerührt und sprachlos. Und obendrein bekommen wir noch einen guten Tipp, da es für unsere Reise nach Falkenberg natürlich viel zu spät ist. Wir sollten doch nach Torekov gehen, das sei nicht so weit und zusätzlich ein netter kleiner Hafen. So wird’s gemacht.
Ganz kurz kommen Daggi und Harald noch an Bord, sind voller Mitgefühl und dann ziehen wir von dannen. Mit Wind haben wir nicht zu kämpfen, bei 1 – 2 Bft aus NNW vertrauen wir auf unseren Perkins und dampfen gegen diesen Hauch von Wind an.
Kurz nach dem Auslaufen erreicht uns ein Anruf von Daggi.
Sie sei soeben informiert worden, die Kreditkarte von Frau Cornelia wurde gefunden. Ein Herr Peterson habe sie auf der Straße entdeckt, im Internet recherchiert und dort die Besitzerin ausfindig gemacht und in der Heimat angerufen. Von dort habe sie, Daggi, soeben Nachricht erhalten.
„Die Kreditkarte ist gefunden, wir müssen sofort zurück“, schallt es von unten hoch.
Ich drehe auf dem Teller und gehe auf Gegenkurs.
Wenig später:
„Ist ja Quatsch, ich hab die Karte ja sperren lassen, die ist jetzt völlig wertlos.“
Diese Annahme wird durch einen Anruf bei der Bank bestätigt: Einmal gesperrt – immer gesperrt. Also wieder Gegenkurs. Bei Herrn Peterson bedankt Frau Cornelia sich herzlich per Handytelefon. Es gibt doch ganz augenscheinlich viele wirklich nette und hilfsbereite Schweden, stellen wir beide fest.
Auf halbem Wege melde ich mich ab zum Duschen. Frau Cornelia übernimmt den Ausguck. Danach will ich meine Uhr anlegen. Hatte ich heute Morgen vergessen. Wo ist sie? muss doch hier auf dem Navitisch liegen. Dahin kommt sie nachts immer.
Und dann ist klar: Der Deibel von Dieb hat sie auch mitgenommen. Der Drecksack! Meine schöne alte Uhr. Wenig später merken wir, dass auch ein Satz Kopfhörer fehlt, im Vergleich zur Uhr ein lächerlicher Verlust.
In Torekov, es ist tatsächlich ein schöner, älterer kleiner Hafen, legen wir uns an einen norwegischen Segler, das darauf sitzende Ehepaar erweist sich als durchaus unfreundlich. Es ist wenig amüsiert einen Nebenlieger zu bekommen und betont, spätestens um 09:00 Uhr am nächsten Morgen los zu wollen. Uns schreckt das nicht, wir wollen eher los. Die beiden achten peinlich darauf, das wir ein vorsichtiges und ihr wertvolles Schiff schonendes Anlegemanöver durchführen. Unsere Leinen nehmen sie mit spitzen Fingern an.
Fischereihafen Torekov
Wir machen uns auf, um das Dorf zu durchstreifen und nach Möglichkeit eine schwedische SIM-Karte zu erstehen. Auch in Schweden wollen wir unabhängig von örtlichen Hafen-Wifis sein. Natürlich sind wir erfolglos, der Ort ist klein und bevorratet keine Telefonkarten, die Frau Cornelias Ansprüchen genügen.
Ich ärgere mich über unsere Nachbarn und ihre mangelhafte Seemanschaft.
Ich solle mich nicht grämen, sagt Frau Cornelia. Die Typen könnten uns doch völlig egal sein.
„Ja, aber!“
Die neue, so nett geschenkte Alarmanlage wird provisorisch installiert, niemand bricht mehr bei uns ein, ohne dass wir es zumindest hören. Der Tag wird noch einmal besprochen und im Grunde sind wir froh. Der Schaden ist vergleichsweise gering, wegen der Uhr bin ich traurig, sie ist ein Geschenk von Frau Cornelia und ich trug sie gerne und runde dreißig Jahre lang.
Auf dem iPad waren alle Dokumentationsfotos über den Umbau vom „Power Block“. Wie ich mich kenne, waren sie nirgendwo gesichert. Da bin ich wohl ganz wesentlich selbst schuld.
Die Nacht neben unseren norwegischen Nachbarn schlägt mit 300 Schwedenkreuzern zu Buche. Den Strom für unser abendliches Fernsehvergnügen lassen wir vom „Power Block“ produzieren.
11.07.2017, Dienstag
Wir sind früh, um 08:45 Uhr ziehen wir die Steckschots aus der Schiene, vorher wurde natürlich die Alarmanlage entschärft und entfernt. Kein Besuchsversuch in dieser Nacht.
Als wir um 08:50 Uhr die Leinen lösen, steht die badebemantelte Nachbarin mit strengem Blick und fenderbewaffnet parat. Sie will um jeden Preis vermeiden, dass wir ihr Schiff verletzen. Wir danken nur verhalten für ihre Hilfe und ziehen vondannen. Die Beiden werden um 09:00 Uhr nicht loskommen. So schnell werden sie ihre Bademäntel nicht gegen segelgerechte Kleidung tauschen können.
Es bläst milde mit 2 – 3 Bft, wir laufen mit halbem Wind nach Falkenberg. Der Wechselrichter macht keine Probleme, er läuft seit vorgestern durch und hat deshalb keinerlei Veranlassung zu zicken. Um 14:15 Uhr liegen wir längsseits am Steg, allerdings an dem der Stadt gegenüberliegenden Ufer. Ins Zentrum also ist es ein gutes Stück Weg.
Zwei Aufgaben warten auf uns. Die Erste: Beschaffung einer schwedischen SIM-Karte. Und die Zweite: Provianteinkauf. Frau Cornelia hat im Vorfeld recherchiert und weiß genau, wohin wir müssen.
Die Fahrräder runter vom Schiff und los über die nicht allzu ferne Brücke. Wir fahren nach elektronischer Karte von Frau Cornelias Handytelefon und landen punktgenau vor einem Telefonshop. Kein Vergleich zu unserer Tour in Schleswig.
Drinnen gediegen modernes Ambiente, Helligkeit, mannigfaltige Telefone und jegliches Zubehör. Dazu im Laden verteilt drei Stehbesprechungstische. Zwei davon sind belegt. Dort ist man im Gespräch, erklärt vermutlich die Vorzüge eines Telefonmodels oder aber eines Handytarifs. Am dritten Tisch ein junger Mann, offensichtlich zum Geschäft gehörig. Wir wenden uns an ihn:
„Deutsch?“
„Leider Nein.“
„Englisch?“
„Ja, kein Problem.“
Frau Cornelia schildert unser Anliegen. Eine schwedische Karte solle es werden, eine mit reichlich Datenvolumen.
„Ja, natürlich. Warten Sie bitte einen Moment.“
Der wirklich freundliche junge Verkäufer blättert in seinen Unterlagen, befragt seinen Rechner, blickt nach kurzer Zeitspanne auf und fragt:
„So etwas, ist das das, was Sie suchen?“
„Ja genau, ist ja noch billiger als ich rausgesucht hatte.“
Der Handel scheint perfekt, doch da trübt sich das Gesicht des netten Kerls nach weiterem Studium der Unterlagen ein.
Er brauche, um diese Karte an uns zu verkaufen, eine schwedische Personenkennnummer von uns. Und die, so würde er vermuten, hätten wir wohl nicht. Aber, vielleicht gäbe es andere Möglichkeiten. Hier, wie es denn damit wäre?
„Nein, nein, viel zu wenige Gigabytes“. Frau Cornelia ist da nicht kompromissbereit.
Fazit der umfangreichen Beratungstätigkeit ist, dass uns leider nicht geholfen werden kann. Und das, obwohl zwischendurch auch noch das hauseigene „Backoffice“ um Rat gefragt wurde.
Leider, ich kann wirklich nicht helfen, sagt das Gesicht unseres netten Beraters, dann zieht er einen Zettel hervor, malt eine Skizze drauf und schreibt etwas hinzu:
„Bitteschön, das ist die Adresse eines Wettbewerbers hier im Ort, der hat viel mehr im Angebot als wir. Sie sollten es da versuchen.“
Wir danken herzlich, finden dank der Beschreibung fix das Ladenlokal und werden auch hier prima und vor allen Dingen erfolgreich bedient.
Die zu erwerbende Karte hat ein mehr als ausreichendes Volumen und wird netterweise von dem zuvorkommenden und auch recht jungen Verkäufer des Wettbewerbers freigeschaltet. Nebenbei schwärmt er von einem Berlinaufenthalt vor wenigen Tagen, er hat die Stadt genossen und mindestens genauso das in Deutschland so preiswerte Bier.
Nebenstraße in Falkenberg
Wir freuen uns über soviel Hilfsbereitschaft, ändern zumindest temporär unsere Ansichten über junge Leute und fahren noch kurz beim ersten Verkäufer vorbei und rufen ihm ein weiteres Dankeschön ins Geschäft.
Dann geht es zum Lebensmitteleinkauf. Die Fahrt zum Supermarkt bestärkt erneut meine Meinung über die mangelhafte Zuverlässigkeit moderner Ortungssysteme, beziehungsweise alternativ des Bedienungspersonals.
Mit irgendwann doch noch gefüllten Taschen halten wir beim Hafenmeister und zahlen zum ersten Mal seit geraumer Zeit bei einem lebendigen Menschen. Der allerdings steht auf Kriegsfuß mit seinem Kartenlesegerät. Zwei schnell herbeigerufene und mit elektrischen Zahlungen vertraute Sachkundige aber sorgen dafür, dass der Prozess erfolgreich abgeschlossen werden kann und 300 Schwedenkronen den Besitzer wechseln. Den mitbezahlten Strom können wir nicht nutzen, unser Landstromkabel ist um einige Meter zu kurz für den Weg bis zum Stromkasten. Macht nichts.
12.07.2017, Mittwoch
Wettervorhersage ist 4 – 5 Bft aus West. Wir verlassen den nicht sehr einladenden Hafen von Falkenberg.
Die ersten Schärchen
Schon am Hafenmund erwartet uns eine unruhige See. Und draußen wird es nicht besser. Für diesen Wind ungewöhnlich steile, bis zu 1,5 Meter hohe und kurze See begleitet uns bis kurz vor die für heute als Nachtlager geplante Ankerbucht. Wir laufen mit knapp halbem Wind unter Genua, werden heftig durchgeschüttelt und haben später an unserer Ankerboje einiges aufzuräumen im Schiff. Alles was nicht wirklich gut gestaut war, hat sich auf knapp 40 Meilen Strecke heftig durch den Salon bewegt.
Mit Erreichen der ersten Schärenvorboten bekommen wir Landabdeckung, es wird viel ruhiger. Nach einem erfolglosen Ankerversuch auf einer undurchdringlichen Seegrasmatte finden wir eine Boje und legen uns an diese.
Den Anker übrigens darf ich per Hand wieder einholen. Die Winsch, eigentlich elektrisch arbeitend, tut keinen Mucks. Ich schwöre, vor Abfahrt habe ich sie geprüft – und sie lief vorzüglich.
Skallahamn, unsere Ankerbucht
Unsere Ruhe in der Bucht stören nur einige Wasserskiläufer, die immer wieder ihre Runden drehen, gezogen von einem mit ordentlicher Leistung versehenen Speedboot. Und das macht richtig Krach.
Irgendwann spät muckt „Power Block“. Er kommt nicht aus seiner Startroutine heraus, er merkt nicht, dass sein Motor dreht und startet deshalb mehrfach nacheinander. Was nicht gut ist und auch nicht gut klingt, wie jeder weiß, der seinen Autoanlasser schon einmal versehentlich bei laufender Maschine betätigt hat.
Ich tippe auf einen Fehler des Drehzahlaufnehmers und verschiebe die genaue Diagnose und Reparatur auf morgen. Oder vielleicht übermorgen. Das Ding wird abgestellt, unsere Batterien werden reichen für den Rest von Abend und Nacht.
Auch hier am Ankerplatz kommt unsere süße kleine Alarmanlage zum Einsatz. Besser ist besser.
Es bedarf noch der nachträglichen Erwähnung, dass ich mich im Verlauf des Abends ärgern muss. Frau Cornelia hat mit der neuen SIM-Karte schon gestern unser provisorisches WLAN-Netz wieder aufgebaut. Nun ist es kein Dänisches mehr, sondern ein Schwedisches. Seitdem kann ich keine E-Mails mehr versenden, das Empfangen hingegen funktioniert tadellos.
Einen guten Teil des Abends verdaddele ich mit verschiedensten Versuchen dem Bordrechner beizubringen, dass geschriebene Mails auch versendet werden müssen, natürlich auch über das schwedische Netz. Egal was ich anstelle, ich bleibe erfolglos, bin aber und das muss gesagt werden, weit davon entfernt, die Schuld für mein Versagen bei Frau Cornelia zu suchen.
13.07.2017, Donnerstag
Ich mache Frühstück, wie fast an jedem Morgen unterwegs. Mein Blick fällt, während ich die Senseo bediene, mehr zufällig auf die Temperaturanzeige des Kühlschranks.
Kann nicht wahr sein. Nur zehn Grad. Normal sind 4 – 5. Die Betriebs-LED zeigt rot. Das hat ja gerade noch gefehlt. Das Aggregat ist keine zwei Jahre alt. Der Vorgänger hielt doch wohl fast 25 Jahre.
Wie auch immer. Erst wird gefrühstückt. Dann sehen wir weiter. Vielleicht liegt es an der Batteriespannung. Die aber beträgt noch immerhin zwölf Volt. Trotz unseres abendlichen und hemmungslosen Stromverbrauchs für Fernseher, Satellitenschüssel, Rechner, Kaffeemaschine und, und, und.
Letztlich, sagen wir uns, wir sitzen das Problem erstmal aus.
Wenn gucken, was da los ist, erst am Nachmittag im Hafen. Bis dahin wird es wohl gehen mit der Temperatur. Schließlich liegen genügend Kühlakkus in Form von Flaschen mit weißem Wein im großen Bauch von unserer Kühlung.
Also nesteln wir die Festmacherleine von der Boje und laufen gemütlich langsam aus der Bucht.
Kleine zwanzig Minuten später kann ich melden:
„Kühlschrank läuft wieder. Problem hat sich selbstständig behoben.“
Manchmal ist eben doch auch ein Quäntchen Glück im Spiel. Es war wohl doch zu niedrige Spannung. Ich werd das prüfen. Vielleicht ist ja der Spannungsabfall zum Kühlschrank hin zu groß. Dann zieh ich eine neue Leitung.
Wir haben vier Bft aus NW. Die See ist nicht glatt, wohl aber erheblich entspannter als gestern. Unsere Route nach Kullavik können wir eben anliegen und landen schon um 14:30 Uhr in einem optisch kleinen Naturhafen.
Blick vom Hafen auf die Schären
Später sollen wir erfahren, dass hier immerhin 400 Boote ein Zuhause haben. Von einer schwedischen Hallberg Rassy aus wird uns zugewunken:
„Dort, dort könnt ihr euch hinlegen.“
Und schon eilt der Winker von seinem Schiff und wartet am Steg, um unsere Leinen anzunehmen. Ein schöner Liegeplatz an der Hafenmole, fein säuberlich ausgerichtet nach Westen. So ist es gut bei diesem Wetter mit vorherrschend westlichen Winden.
Während Frau Cornelia vorn noch mit den Leinen beschäftigt ist, wird sie von einer etwa gleichaltrigen Frau angesprochen. Sie ist verehelicht mit dem Winker, wie wir bald erfahren.
Ja, sagt sie in bestem Deutsch, schön, dass wir in ihren Hafen gefunden hätten, die Toiletten seien da, die Duschen da, ein kleines Restaurant gäbe es am Ende der Hafenmole, der Müll würde beim Hafenmeister gesammelt, usw., usw.
Eigentlich aber habe sie eine Bitte. Hier, wenn Frau Cornelia doch einmal schauen wolle, auf der Stromsäule sei ein deutscher Text mit Hinweisen zum Bezahlen des Liegegeldes und dieser Text sei, sie wisse das, grottenschlecht formuliert. Völlig unverständlich. Sie selbst könne es aber nicht besser machen. Ob wir vielleicht so freundlich sein würden. Sie sei, erzählt sie noch, im Vorstand dieses Vereinshafens und es ärgere sie maßlos, deutschen Gästen einen solchen Text zuzumuten.
„Ja natürlich, überhaupt kein Problem. Das machen wir gern. Bis später dann.“
Kurz darauf fällt Frau Cornelia ein, dass doch einiges an Wäsche zu machen ist, sie geht rüber zum Winker, der sein Deck schrubbt und fragt nach einer Hafenwaschmaschine. Auch er spricht übrigens gutes Deutsch.
Oh sorry, das wisse er leider nicht genau, wahrscheinlich gäbe es keine, aber er würde seine Frau fragen.
Gar nicht lange hin und sie steht an unserem Bug. Wir bitten sie auf’s Schiff und bieten Kaffee an. Sie nimmt ihn gern und stellt sich vor:
„Christina. Hallo.“
“Cornelia und Peter.”
Es täte ihr schrecklich leid. Eine Waschmaschine hätten sie nicht im Hafen. Es kämen nicht so viele Gäste. Aber sie verstünde unser Problem gut. Gerade wenn man lange unterwegs sei, so wie wir. Und im Grunde sei das doch gar kein Problem. Sie müsste ohnehin gleich nach Hause, sie wohnten nicht weit von hier, dann nähme sie die Wäsche mit und wüsche sie für uns. Nein, das sei überhaupt keine Arbeit für sie, sie täte das gern. Und überhaupt, Liegegeld brauchten wir auf keinen Fall zu bezahlen, sie spräche gleich mit dem Hafenmeister.
Wir wollen das nicht annehmen, haben aber keine Chance.
Nein, wenn wir doch die Übersetzung machten, müsste sie sich auch erkenntlich zeigen.
Später kommt auch noch Lars, der Ehemann, hinzu. Wir sitzen gemeinsam in unserer Plicht und plaudern über alles Mögliche. Die beiden waren bis vor kurzem mit ihrer „Thalassa“ in Kroatien, haben das Schiff jetzt aber per LKW wieder nach Hause holen lassen, um das eigene wunderschöne Revier wieder ausführlich zu befahren. Am Montag wollen sie los in die Schären.
Lars arbeitete früher für ein Schweizer Unternehmen und war häufig in Deutschland, ein Jahr lang wohnten sie in Solingen. Daher die guten Deutschkenntnisse der beiden.
Sie geben Tipps zu der Region, erzählen von der häufig unfreundlich hohen See und das Gespräch kommt auch auf unseren Einbruch in Helsingborg und darauf, dass nachträglich noch die fehlende Uhr auffiel. Frau Cornelia hatte mehrfach telefonisch und vergeblich versucht, diesen Verlust nachzumelden.
Den Kontakt mit schwedischer Polizei herzustellen ist augenscheinlich schwierig, zumindest für Besucher des Landes, hatten wir resümiert.
Nein, wie schrecklich. Und das bei uns in Schweden. Ja, bei der Meldung könne uns geholfen werden, natürlich.
Nach geraumer Zeit trennen wir uns, nach einer kurzen Erledigung will Christina uns abholen, um gemeinsam zu ihr nach Hause zu fahren.
Außerdem müssten wir doch sicher noch einkaufen, das könne man doch auf einem Wege miterledigen, dann brauchten wir nicht zu laufen.
So fahren wir in dem Wagen eines namhaften deutschen Herstellers der gehobenen Kategorie, Christina entschuldig sich, das Auto sei viel klein und hätte leider nur zwei Türen, durch den Ort und dann in ein Wäldchen hinein. Am Ende des Weges erwartet uns ein flach gehaltenes Gebäude mit schönem Schnitt.
Das sei das ehemalige Sommerhaus der Familie, sie hätten es ein wenig umgebaut und lebten jetzt dauerhaft hier. Ein wirklich schönes Haus mit geschmackvoller, typisch skandinavischer Einrichtung. Es steht auf einem hügeligen Grundstück mit geschätzten 10.000 Quadratmetern Fläche. Darauf, neben dem Haus ein kleiner See, ein Pavillon, ein zusätzliches kleines Häuschen. Alles liebevoll arrangiert und in bestem Pflegezustand.
Unsere Wäsche landet in der Waschmaschine, einige Utensilien müssen draußen bleiben, sie würden das Fassungsvermögen der Maschine sprengen.
Die Teile seien auch nicht so wichtig, betont Frau Cornelia. Die könne sie später eben durchwaschen auf dem Boot.
Ein angebotenes Bier lehne ich freundlich ab und wir werden zum Einkaufsladen chauffiert. Was für ein Service! Was für eine Freundlichkeit! Mit gefüllten Taschen werden wir am Schiff abgegeben und wegen der Polizei würde sie sich kümmern, sagt Christina. Sie käme zurück, wenn die Wäsche fertig sei. Tschüß bis später.
Große Mühe hatten wir, einen kleinen zum Dank erstandenen Blumenstrauß zu übergeben.
Nein, das sei auf keinen Fall nötig gewesen.
Wir glauben Christina das!
Christina klopft um neun an unserem Bug, die Wäsche ist fein säuberlich gelegt, die Hemden sind gebügelt.
Ein T-Shirt von mir sei leider nicht ganz sauber geworden, sie hätte alles versucht, aber leider, leider, es sei ihr nicht gelungen.
Frau Cornelia outet mich als Dreckspatzen, der nie für anstehende Reparaturen und andere Schmutzarbeiten die Kleidung wechsele, sie würde das seit guten fünfunddreißig Jahren bemängeln. Viele meiner T-Shirts und Hemden könne man aus dem genannten Grund nicht wirklich sauber bekommen.
Die nicht in die Maschine passende Wäsche ist natürlich auch gewaschen, das sei doch Ehrensache gewesen. Und bei der Polizei habe sie auch angerufen, nachdem sie festgestellt habe, dass eine Meldung über das Internet fast unmöglich sei.
Ihr Vorschlag, nachdem man ihr gesagt hätte, es sei am Besten, persönlich vorbeizukommen, sei der Folgende:
Sie hole uns morgen gegen zehn Uhr ab und führe mit uns zur Polizeistation in Kungsbacka. Das sei nicht weit, nur kleine zwanzig Kilometer. Tschüß, bis morgen früh.
Widerspruch von unserer Seite ist zwecklos, ich muss das eigentlich nicht erwähnen. Wir halten im Verlauf des Abends eine Crewbesprechung ab, beschließen einstimmig den morgigen Tag komplett hier in Kullavik zu verbringen und basteln ein Programm für den Tag: Zuerst Polizei, dann Kühlschrank prüfen, dann endlich den neuen Wechselrichter einbauen, klar Schiff machen, innen und außen und danach „Power Block“ wenn die Zeit noch reicht.
14.07.2017, Freitag
Pünktlich um zehn zur Polizei, wir sehen ein wenig Binnenlandschaft vom Auto aus, lernen schwedische Fahrregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen kennen.
Christina erzählt über Land und Leute, lässt ihre Familie nicht aus und sorgt damit für eine kurzweilige Fahrt.
Auf der hochgesicherten Wache, alle Bediensteten sitzen hinter Panzerglas, ist man verhalten interessiert, nimmt den Verlust der Uhr zusätzlich zu Protokoll und setzt auch die Ohrhörer hinzu. Hoffnung auf ein Wiedersehen haben wir nicht, man macht uns auch keine. Vielleicht aber beteiligt sich die Versicherung an unseren Schäden. Schon deshalb wollen wir alles offiziell machen.
Zurück am Hafen verabschieden wir uns herzlich, danken für all die Hilfe und hoffen auf ein Wiedersehen, irgendwann. Auch den heutigen Liegetag dürfen wir nicht bezahlen. Noch einmal lieben Dank für alles, Christina!
Der Kühlschrank wird geprüft, der Kabelquerschnitt zu ihm ist mehr als ausreichend, der Spannungsabfall unter Last ist marginal, es besteht aus meiner Sicht kein Handlungsbedarf. Ich werde den Fall im Auge behalten. Der neue Wechselrichter ist schnell verbaut, er nimmt beim zweiten Einschalten seine Arbeit auf und läuft ohne Tadel. Kein Absturz, der maximal von uns benötigte Strom mit 230 Volt Spannung wird brav geliefert. Den alten Apparat staue ich weg - nicht zu tief. Wer weiß, wer weiß.
Frau Cornelia hat die Innenreinigung übernommen, nach kurzer Zeit ist alles wie geleckt, ich mache das Deck mit viel frischem Wasser, ich darf das Leitungswasser nutzen, hat Christina gesagt. Besonders kümmere ich mich um die Plicht, hier sind teils die Ecken rund. Da wirken Wasser und Bürste Wunder.
Kohinoor frisch gereinigt in Kullavik
Kurze Pause, dann rein in die Tamilenkammer zum „Power Block“. Vorher hatte ich am Rechner noch geschaut – der Gute bekommt tatsächlich kein Signal mehr, das ihm sagt ob er läuft oder nicht.
Ich werde aber den Ersatzgeber nicht verbauen, sondern hole mir das Signal von der motoreigenen kleinen Lichtmaschine. Dazu trenne ich den inneren Kabelbaum auf und suche das entsprechende Kabel. Beim dritten Anlauf habe ich das Richtige gefischt und verbinde provisorisch die notwendigen Enden miteinander.
Und dann ist Schluss in der Kammer, mein Knie schmerzt höllisch, warum auch immer. Hinlegen hilft gar nicht – da wimmere ich so vor mich hin. Bewegung hilft. Ein wenig. Und so humpele ich gemeinsam mit Frau Cornelia im Hafen auf und ab. Steg rauf, Steg runter. Es wird besser, nicht gut. Weitere Schrauberei kommt für heute nicht in Frage. Zumal sich für heute Abend Daggi und Harald angesagt haben. Den Rest dann eben ein andermal. Das wird schon.
Mit den beiden gehen wir in das kleine Restaurant auf der Mole. Alle vier bestellen wir den wohl teuersten Burger unseres Lebens.
Wer vermutet, dass er dieserhalb von höchster Qualität sein wird, liegt gründlich falsch. Er ist weder besonders schmackhaft noch sehr reichhaltig. Außerdem zieht es zunehmend kühl von See auf die Terrasse. Dafür natürlich können die Restaurantbetreiber nichts.
Auf dem Schiff zurück gönnen wir uns noch einen Nachtisch, bestehend aus „Roter Grütze“ und keiner Sahne. Die ist nach drei Wochen offenem Aufenthalt im Kühlschrank nicht mehr gut genießbar. Es muss auch ohne gehen.
Und wo ich gerade vom Essengehen erzähle, erinnere ich verschämt unseren letzten Abend in Kopenhagen, da waren wir dann doch noch zum Essen aus, nach dem Fiasko am Vorabend in der großen Papierhalle.
Wir hatten einen Italiener am Hafen für historische Schiffe ausgesucht, einigermaßen passabel gegessen, ich etwas völlig anderes, als ich mir nach der dänischen Beschreibung in der Karte vorgestellt hatte, vorgestellt nämlich hatte ich mir ein schönes Filet mit einigen schmackhaften Beilagen, serviert bekam ich einen mittelgroßen Topf mit suppenähnlichem Inhalt. Darin, zugegeben eine gehörige Portion Rindfleisch, allerdings gekocht, Kartoffeln und ein Gemüse, das ich nicht imstande war, zu identifizieren.
Wie erwähnt, es schmeckte passabel. Der Tisch, an dem wir saßen, war für zwei recht klein und wackelte bedenklich. Die Gesamtumstände also nur „geht so“.
Wie üblich ging es zum Abschluss des Mahls ans Zahlen. Die Rechnung wurde präsentiert und mündlich eine Summe aufgerufen, die für mich klang wie fünfhundertneunzig.
Ohne überhaupt mein Hirn einzuschalten, oder einen Blick auf die Rechnung zu werfen, zückte ich zwei Fünfhunderter und hörte mich „Siebenhundert“ sagen.
Das Gesicht der Bedienung, bislang hatte sie sich nicht vor Freundlichkeit überschlagen, hellte sich gewaltig auf, sie wünschte von Herzen einen „wunderschönen Abend“ und zog lächelnd und verdächtig schnell von dannen.
Ein viel zu spätes Studium der Rechnung erklärte den netten Wunsch: der tatsächliche Rechnungsbetrag lautete nur auf rund fünfhundertvierzig Kreuzer.
Frau Cornelia, die ein sehr feines Gefühl für’s Geldausgeben hat und mich schon lange kennt, wunderte sich erheblich über mich.
Und ich gab einen völligen Ausfall zu, fünfzig Kreuzer Trinkgeld wären unter Berücksichtigung aller Umstände durchaus mehr als angemessen gewesen, ich weiß bis heute nicht, was in mir vorging oder besser nicht vorging.
Einen Arsch hätte ich in der Hose haben sollen und das überhohe Trinkgeld für ein Missverständnis erklären. Hatte ich aber nicht.
Frau Cornelia mahnte:
„Gräme dich nicht. Ist nun mal passiert.“
Zurück in unseren Salon. Wir vier besprechen unsere weiteren Pläne, stellen fest, dass wir uns vermutlich vorläufig nicht mehr sehen werden, die beiden treibt es schnell nach Norden und dann ins Land hinein an die Seen. Wir wollen Göteborg besichtigen und dann ein wenig in die Schären schauen.
weiter mit Teil -4-
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